Die Schneekanonen in den Alpen sind längst in Stellung gebracht, der erste Schnee ist schon gefallen und die großen Ski-Openings stehen ins Haus. Dennoch: Der Winter hat an Attraktivität verloren. Der Wintersport, lange die Cash-Cow der Alpendörfer, schwächelt. Braucht der Winter eine Lobby, fragte die Touristische Runde in München. Ja, sagten die Referenten, und führten neue Marketing-Aktionen ins Feld.
Franz Schenner vom Netzwerk Winter in Salzburg ist überzeugt davon, dass die neu geschmiedete Allianz Winter Österreich im Winter nach vorne bringen wird. Und das ist auch gut so. Denn in Österreich leben 230 000 Menschen vom Wintersport. Schnee freilich ist die Grundvoraussetzung für jeden Wintersport – und ohne Kunstschnee geht bei den wechselhaften Wintern gar nichts. Dass die Beschneiung in ökonomisch und ökologisch verträglicher Weise erfolgen muss, darauf hätten sich in Österreich Seilbahnen, Hotels, Skiindustrie, Wintersportorte und die Politik geeinigt. Auch darauf, dass man Skifahren als gesunden Sport fördern müsse, der zudem noch schnell zu lernen ist. „Skifahren in drei Tagen“ propagierte die Allianz Winter und lieferte zur Theorie gleich den Praxistest dazu.
Auch Bayern Tourismus Marketing plant eine große Winter-Kampagne. SchneeBayern, ein Schulterschluss von zwölf Partnern, darunter Fellhorn und Nebelhorn, Garmisch, Tegernsee und Bayerischer Wald, sei ein Novum für Bayern, sagte Jens Huwald: „Wir haben in Bayern Pfunde, mit denen wir wuchern können.“ Allerdings sieht der BTM-Sprecher den weiß-blauen Winter differenziert. Nicht nur der Alpinsport gehöre dazu, auch die Thermen seien Teil des Winterangebots. Eine Umfrage unter Winterurlaubern in Bayern unterstütze die Angebots-Vielfalt. Zwar entschieden sich mit 37 Prozent die meisten fürs Alpin-Skifahren, aber schon mit 32 Prozent folgte „gut essen und trinken“. 28 Prozent war das Landschaftserlebnis besonders wichtig. Erst nach „ausruhen und entspannen“ (25) und „Geselligkeit/Gemütlichkeit“ (24) wurde Snowboard fahren genannt. Skilanglauf und Wandern im Schnee folgten mit 21 bzw. 19 Prozent an achter und neunter Stelle noch nach „Schwimmen im Hallenbad“ (22). Gerade mal sieben Prozent entschieden sich für Apres Ski, deutlich mehr (13 Prozent) für „etwas für die Gesundheit tun“ und 17 Prozent für „genießen“. Zählt man dazu noch diejenigen, die „gut essen und trinken gewählt“ haben, stehen die Genießer ganz oben. Dass Bayern für diese Gäste die richtige Wahl ist, zeigten die Steigerungsraten im vergangenen Winterhalbjahr, ein Plus von 2,7 Prozent bei den Ankünften und von 2,1 Prozent bei den Übernachtungen. „Wir können also selbstbewusst nach vorne gehen“, gab sich Huwald kämpferisch.
Augustin Kröll von den Bergbahnen Fellhorn und Nebelhorn, einer der Motoren der neuen Winter-Kampagne, betonte die Bedeutung des Schnees für den Wintersport. Ohne die weiße Pracht hätten die Alpen gegen die Sonnen-Destinationen keine Chance, ist Kröll überzeugt. Da sei es eher unwichtig, ob die Leute wegen Alpinskifahren, Langlauf oder Winterwandern in die Berge kämen, „Hauptsache sie kommen überhaupt“. Man müsse in die Großstädte gehen, um die Wintersportler dort abzuholen.
Das sieht auch Michael Berner vom Deutschen Skiverband ähnlich. Mit dem Mini-Skigebiet an der Allianz Arena hätte der DSV im letzten Jahr großen Erfolg gehabt, „ein riesiger Integrationsfaktor“. Berner will Wintersport als Rezept gegen die Bewegungsarmut bei Kindern einsetzen und hofft, dass nach den neuen Regelungen für Klassenfahrten Hartz-IV-Empfänger auch bei Schulskikursen unterstützt werden. Entgegen der allgemeinen Meinung sei Skisport ungefährlicher als jeder Ballsport, betonte der DSV-Sprecher. In den letzten 30 Jahren habe sich das Unfallrisiko halbiert. Alle am Wintersport Beteiligten forderte Berner zu mehr „Offenheit untereinander“ auf und ermunterte sie dazu, das Produkt Wintersport publikumswirksam zu inszenieren.
„Wir brauchen den Schnee in den Köpfen der Leute“, forderte auch Franz Schenner. Hilfreich könnte da ein neues Format des ORF sein, bei dem zwölf Prominente in ein Ski-Camp geschickt werden, wo sie lernen besser Ski zu fahren und beim abschließenden Rennen gegen einander „durch die Tore tanzen“. Noch sei das Image des Skifahrens eher „uncool“, bemängelten auch Diskussionsteilnehmer. Das mache sich unter anderem in der Flaute der Ski-Industrie bemerkbar, die trotz technologisch hochwertiger Produkte Absatzschwierigkeiten habe. Helme und Protektoren dagegen verkauften sich „wie geschnitten Brot“, nicht weil sie das Thema Sicherheit spielten, sondern weil sie „Lifestyle“ seien. Wichtig, da waren sich alle einig, sei: Man muss den Menschen wieder Lust auf Winter machen und da am besten im Kindergarten anfangen. Das „Projekt Schulen im Schnee“ am Fellhorn sei da beispielhaft.
Der Klimawandel spielte bei der Diskussion kaum eine Rolle. Ganz gegen Ende wurde die Frage aufgeworfen, ob die Wintersportorte nicht Gefahr liefen, „wie die Autoindustrie eine Entwicklung zu verschlafen“. Franz Schenner verwies auf eine Studie zur Klimaerwärmung. Danach würden in Deutschland fünf, in Österreich 115 Skigebiete eine Erwärmung um zwei Prozent überdauern. Bei weiteren zwei Prozent bliebe Deutschland gerade noch ein Skigebiet, in Österreich wären es noch 45. Augustin Kröll sieht das nicht so dramatisch. Die 1500-Meter-Grenze, die bei solchen Studien angenommen werde, will er so nicht gelten lassen. Man müsse auch bei der Klimaerwärmung das Mikroklima berücksichtigen. Ihm sei für die nächsten 20 Jahre nicht bange, betonte der Bergbahnchef und gab sich überzeugt: „Die Winterindustrie hat das Thema Klima im Griff.“