Bad Kleinkirchheim: Warm baden im eiskalten Schneereich

Es sieht aus, als wären Ufos hier gelandet, mitten in Bad Kleinkirchheim und direkt vor der Klammer-Piste. Oder sind es eher Iglus? Rund und weiß. Dampf wabert über spiegelglatter Fläche, in der sich ein geschwungener Bau spiegelt. Nein, diese runden Formen, die sich vor der Talstation der Kaiserburgbahn breit machen, sind nicht von Außerirdischen in die Kärntner Berge gesteuert worden,  sie sind auch nicht von Schneemännern errichtet worden, sondern von einem Architektenteam aus Stuttgart. Das Büro Behnisch und Partner aus Stuttgart, das vor gut 35 Jahren die spektakuläre Zelt-Architektur für die Olympischen Spiele 1972 in München schuf, hat für die Römer Therme in Bad Kleinkirchheim ein Design entwickelt, das eher an Schlumpfhausen als ans alte Rom erinnert. 

Drinnen aber geht’s doch eher römisch zur Sache, Bademeister und –Nixen in weißen Tuniken, Caldarium, Tepidarium, Saunarium und wie die ganzen Wohlfühl-Rundalos mit den schneckenförmigen Eingängen noch heißen, heizen den Gästen ordentlich ein. Hier rinnt der Schweiß in stilvollem Ambiente vor allem im Maximum, der dritten Ebene des Thermen-Tempels, die den absoluten Hochgenuss verspricht und dafür ganz in Gold daherkommt. Drunter im silbernen Noricum aalen sich ein paar ungarische Piroschkas kichernd im riesigen Whirlpool und posieren fürs Fernsehen. So etwas haben selbst die thermenverwöhnten Ungarn noch nicht gesehen. Vor den  Panoramafenstern, hinter denen sich die weiß-beschneiten Pisten ausbreiten wie ein Breitwand-Fernsehbild, sind ergonomisch gestaltete Liegen aufgereiht; dahinter lustwandeln die in Handtücher oder Bademäntel gehüllten Gäste von der Granat-Sauna ins nächste Dampfbad oder gleich hinunter ins kupferfarbene Romanum, wo man von der Außentherme direkt auf  den steilen Zieleinlauf der Weltcuppiste sieht.  Mit einem gigantischen  Sprung könnte ein Rennläufer direkt im wannenwarmen Becken landen. Ganz so wörtlich ist das Motto von Bad Kleinkirchheim „Von den Pisten in die Thermen“ dann doch nicht gedacht.
Aber außergewöhnlich ist es schon, dass man von der Talstation geradewegs in die Therme spazieren kann – ohne Ski und Skistiefel allerdings. Die müssen draußen bleiben. Dafür ist in den kleinen Spinden kein Platz. 12 000 Quadratmeter groß ist die spektakuläre Thermenanlage mit 13 Saunen,  großem Pool und eigenem Kinderbereich. 70 Prozent der benötigten Energie werde durch Solarwärme und Tiefenbohrung gedeckt, erklärt Kurt Glettler, der junge, smarte Assistent der Geschäftsführung. Der 28-Jährige sieht in der  16-Millionen-Euro-Anlage der Bad Kleinkirchheimer Thermen GmbH eine Investition für die Zukunft. „Bad Kleinkirchheim will wieder in der oberen Liga mitspielen“,  sagt er mit professionellem Optimismus. Der Ort habe einiges verschlafen, aber jetzt sei man aufgewacht. Der Lohn der tatkräftigen Erneuerung: Bad Kleinkirchheim darf sich mit dem Titel  „Österreichs erster Alpine Wellness Ort“ schmücken.  „Profanes Schwitzen war gestern“, verkündet denn auch Stefan Heinisch, Tourismus-Geschäftsführer der Gemeinde. „Heute heißt es genießen.“
Genuss wird groß geschrieben in Bad Kleinkirchheim, der Heimat der Skilegende Franz Klammer. Auch wenn sich sportlich ambitionierte Skifahrer  auf 103  fast zu 100 Prozent beschneiten Pisten austoben und auf der Weltcupabfahrt „Kärnten – Franz Klammer“  ihr Mütchen kühlen können, auch wenn die weltbesten Skifahrer auf dem steilen Klammer-Stich um Sekundenbruchteile kämpfen, lockt Bad Kleinkirchheim  vor allem die Wintergenießer. Jene Menschen also, die mehr von ihrem Urlaub erwarten als Pistenkilometer- oder Höhenmetersammeln: Erholung in intakter Natur, Entspannung in gemütlichen Hotels oder Pensionen und regionale Spezialitäten. Durch die sanft gerundeten Höhenzüge der Nockberge führen viele Wege – auch im Winter. Langläufer, Winterwanderer und solche mit Schneeschuhen  können hier kilometerweit auf  stressfreie Entdeckungstour gehen und  in einer unspektakulären Idylle zur Ruhe kommen. Und in den „Nockberge ZirbenZimmern“, mit denen inzwischen schon sechs Häuser locken, lässt sich das Wohlgefühl sogar wissenschaftlich erklären. „Das Herz schlägt langsamer“, erklärt Tourismus-Mann Heinisch das Ergebnis einer Studie. Etwa 3500 Herzschläge ließen sich pro Tag sparen. Also weniger Stress und ein gesunder Schlaf. Bei all den tollen Eigenschaften des Zirbenholzes bekommt man fast Angst um die ausgedehnten Zirbenwälder in den Nockbergen…
Doch in Bad Kleinkirchheim wissen die Menschen, was sie an der Natur haben. Verdanken sie doch einer Quelle ihren Wohlstand. 1078, so weiß es die Legende, wusch "Pfalzgraf  Poto aus dem bajuwarischen Geschlecht der Aribonen“  seine Wunden in dem Quellwasser und wurde geheilt.  „Träne Gottes“ heißt die Quelle noch heute. Den Namen „Augenquelle“  bekam sie wegen ihrer heilenden Wirkung bei Augenkrankheiten. Im Mittelalter benetzten Bäuerinnen ihre von der Rauchküche kranken Augen mit dem segensreichen Wasser. In der Krypta unter dem gotischen Kathreinkirchlein, das  hinter dem mächtigen Riegel des Ronacher-Thermenhotels fast verschwindet,  sprudelt die legendäre Quelle noch immer.
Ganz in der Nähe lässt sich das Wohlgefühl der Zirbenstube mit leiblichen Genüssen verbinden. In der Loystub’n des Hotels Pulverer wird Bodenständiges so raffiniert veredelt, dass die Küche mit einer Haube belohnt wurde. Das wunderbar leichte  pochierte und gebackene Filet vom Karpfen mit Safranpüree, Lachsfondue und Forellenkaviar würde  auch einer Sterneküche Ehre machen. Gleich mit zwei Hauben schmückt sich das Restaurant im Ronacher, je eine Haube haben sich der Gasthof Drage und das Gartenhotel Kristall erkocht. Wer’s weniger raffiniert, dafür etwas deftiger mag, kommt in den vielen Wirtshäusern und Hütten auf seine Kosten. Zum Beispiel in der Waldtratte auf der Mittelstation der Kaiserburgbahn. Wirtin Silvia kann sehr überzeugend sein, wenn sie ihren Kaiserschmarrn, die Kasnudeln oder den Blaubeerstrudel empfiehlt. „Die Blaubeeren hat der Opa am Berg gesammelt“, versichert sie, genauso wie die Pilze. Natürlich kommt der Bröseltopfen (eine Art Hüttenkäse)  für die Kasnudeln vom Bauern und die Minze aus dem Garten. Das Verdauungsschnäpschen serviert die lustige Wirtin auf einem Ski, der zum Tablett umfunktioniert wurde. Es muss schon was Besonderes sein. Das gilt auch für die Herrentoilette, wo die Männer sich vor einem Fernseher erleichtern können – am liebsten natürlich, wenn der Ski-Weltcup der Herren  auf der Klammerpiste über die Mattscheibe flimmert.
Rund eine Million Euro kostet die Ausrichtung eines Weltcup-Rennens, verrät Stefan Heinisch, der Ort ist mit 350 000 Euro dabei. Eine lohnende Investition, findet der Geschäftsführer des Tourismusverbandes. „So ein Weltcup schärft das Profil Bad Kleinkirchheims als Wintersportort.“ Immerhin nimmt dann auch der ganze Skizirkus Quartiert in den örtlichen Hotels und Gasthäusern. Nur einer nicht: Bode Miller. Der amerikanische Skistar schläft grundsätzlich in seinem Wohnmobil.

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