Allianzen für den Mobilitätsmarkt

Zusammen ist man stärker. Das lernt man schon im Kindergarten. Und in einer globalisierten Welt sind internationale Partner (überlebens)wichtig. 1997 schmiedeten fünf Luftfahrtunternehmen, darunter die Lufthansa, deshalb die Star Alliance, um ihren Kunden ein weltumspannendes Netz zu sichern. Inzwischen gehören 27 Airlines zu der Allianz. Zwölf Fluggesellschaften haben sich zu One World zusammengetan, 13 Airlines arbeiten im SkyTeam zusammen. Alle drei zusammen bedienen 60 Prozent des weltweiten Luftverkehrs. Eine Erfolgsgeschichte. Doch nicht nur in der Luft, auch auf der Schiene sollen Allianzen die Zukunft sichern. So haben sich sieben europäische Hochgeschwindigkeitsbahnen im Railteam zusammengetan. Bei der Touristischen Runde wurde klar, wie solche Allianzen Zukunft sichern und den Kunden Mehrwert bieten sollen.

Khaled El-Hussein kümmert sich in der Kooperation DB/ÖBB vorwiegend um
die Vermarktung der Züge zwischen Deutschland und Österreich sowie nach
Italien. Er profitiert davon, dass sich die Deutsche Bahn in den letzten
Jahren sowohl im Personen- als auch im Frachtverkehr und der
Infrastruktur internationalisiert hat. Von den 30 Milliarden Umsatz, die
2009 erwirtschaftet wurden, entfiel ein Drittel auf den
Personenverkehr. 32 Prozent des Konzernumsatzes werden mittlerweile
international erwirtschaftet. „Unser Focus liegt generell auf dem
Heimatmarkt“, erklärt El-Hussein. „Ihn wollen wir durch Wachstum und
Engagement in neuen Märkten absichern.“ Dabei gehe die Bahn
„marktspezifisch“ vor: „Bedient werden können nur die Relationen, die
für die DB auch wirtschaftlich tragbar sind.“
Auch wenn kaum jemand beim Thema Allianzen an die Schiene denkt –
Kooperationen gab es schon zu den Pionierzeiten der Bahn, die 2010 175
Jahre alt wurde. Schon in sehr frühen Zeiten wurden an den Grenzen Lok-
und Zugführer ausgetauscht, wenn der Zug an die Nachbarbahn übergeben
wurde. Heute haben solche Kooperationen eine andere Ausprägung, wie
El-Hussein berichtet. Im Mittelpunkt stünden die gemeinsame Vermarktung
und Produktion sowie die Bedienung der Kunden. Als Beispiel für
durchgehende Preisangebote nennt er das Europa-Spezial für Österreich.
Dabei sei der DB – je nach Marktsituation – auch ein „eigenständiges
Auftreten“ auf dem europäischen Markt wichtig. Das freilich „ist nicht
immer ganz einfach“, räumt der Bahn-Manager nationale Egoismen ein –
„vor allem in Frankreich“.
Trotzdem ist für El-Hussein die Internationalisierung der Schiene ein
Erfolg: 250 Züge, zur Hälfte Hochgeschwindigkeitszüge, fahren täglich
zwischen Deutschland und den Nachbarstaaten. Rund 40 000 Reisende nützen
täglich den internationalen Fernverkehr. Es gibt ICE-Angebote in sechs
Nachbarstaaten. Um die Qualität zu sichern, werde die Bahn in Kürze („in
Bahndimensionen“) weitere 15 ICE der neuesten Bauart – Siemens-Baureihe
407 – in Dienst stellen, verspricht El-Hussein.
Die Liberalisierung im Fernverkehr allerdings „köchelt noch auf
Sparflamme“. Der Bahn-Manager sieht bisher nur wenige Ansätze von
privaten Unternehmen, „die in den Markt eintreten“, so die Westbahn in
Österreich
, die mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2011 der ÖBB
Konkurrenz machen will. Oder in Italien die Nuovo Transporto Viaggiatori
(NTV), in der auch Ferrari und Fiat involviert sind und die in
Konkurrenz zur staatlichen TrenItalia Hochgeschwindigkeitszüge zwischen
den Großstädten anbieten will. Ein Beispiel für erste Früchte der
Liberalisierung ist für El-Hussein auch der neue DB/ÖBB Verkehr über den
Brenner. Die nächsten zehn Jahre werde sich da nicht sehr viel ändern,
glaubt der DB-Mann und plädiert dafür, die Partnerschaften stärker
auszubauen, die Frequenzen weiter zu erhöhen, Komfort und Service zu
verbessern und die Reisegeschwindigkeit auf den
Hochgeschwindigkeitsstrecken zu erhöhen.
Das Ziel der DB sei ganz klar eine stärkere internationale Ausrichtung.
Schon heute könne die DB durch ein Joint Venture mit der SNCF die
Strecke Frankfurt Paris als ICE/TGV-Verbindung in 3.50 Stunden anbieten.
Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember werde es zusätzlich einen TGV von
Frankfurt nach Marseille geben. 35 Verbindungen in die Schweiz werden
gemeinsam mit den Schweizer Bahnen offeriert und die
Vermarktungs-Kooperation mit den ÖBB sichert 33 Verbindungen nach
Österreich, „gerade auch in die alpinen Regionen“, wohin es 70 Prozent
aller deutschen Touristen zöge. „Nach Österreich braucht niemand zu
fliegen“, sagt El-Hussein mit einem Seitenblick auf
Star-Alliance-Sprecher Markus Rüdiger.
Ebenfalls in Zusammenarbeit mit den Österreichischen Bundesbahnen fahren
Züge über den Brenner nach Verona, Mailand und Venedig. Ein Start mit
Hindernissen, wie der Bahn-Manager verrät. Weil der nationale Monopolist
TrenItalia diesem Bahnprojekt sehr ablehnend gegenüber stehe, „gab und
gibt es zahlreiche Barrieren für DB und ÖBB“: Zunächst wurden geeignete
Trassen verweigert.  An den Bahnhöfen fehlten die Informationen über die
Züge. „Es gab keine Ankündigung, keinen Aushang.“ Und dann wollte die
Regulierungsbehörde gar Zwischenhalte im touristisch interessanten
Südtirol und auch im Trentino verbieten. Trotzdem setzt die DB auf die
Europäisierung auf der Schiene und will z.B. ab 2013 einen ICE durch den
Euro-Tunnel nach London schicken. Sorgen, dass EuroStar dagegen
Einspruch erheben könnte, macht sich El-Hussein nicht. Für 2014 plane
doch EuroStar im Gegenzug auch nach Deutschland zu fahren.
In der Luft ist die Liberalisierung schon weiter fortgeschritten. Aber
eine komplette Liberalisierung wird es auch in Zukunft nicht geben,
glaubt Star-Alliance-Sprecher Markus Rüdiger. Weil die Airline-Industrie
durch die Regierungen stark reglementiert sei, seien Allianzen umso
wichtiger. Auch für die kleineren Fluglinien, die durch das große
Netzwerk mehr Fluggäste „zugefüttert“ bekämen. Immerhin fliegen täglich
1,6 Millionen Passagiere auf das Star-Alliance-Netz mit seinen 1160
Zielorten in 181 Ländern. „Die Allianz ist wie ein Fitness-Club“,
zitiert Rüdiger den Star-Alliance-Vorstand. „Ich muss zahlen, um
hineinzukommen. Und wenn ich davon profitieren will, muss ich die
Mittel, die zur Verfügung stehen, auch nutzen.“ So eine
Allianz-Mitgliedschaft gebe es nicht für lau, erklärt der Airliner.
Schließlich entstünden auch Kosten, so müssten die IT-Systeme kompatibel
gemacht werden. Dafür profitierten die Mitglieder etwa vom exklusiven
Star-Alliance-Terminal in München und von den Star-Alliance-Lounges in
Paris, London und Los Angeles. Teilnehmer an den Vielfliegerprogrammen
erhalten Meilen-Gutschriften für Flüge auf allen Allianz-Mitgliedern.
Und die heftig umworbenen Silber- und Goldkunden genössen bei allen
Airlines wichtige Vorteile, die ihnen die Heimat-Airline allein nicht
bieten könnte.
Besonders wichtig sei auch der Sicherheitsstandard, betont Rüdiger und
verweist auf die international anerkannten Zertifikate des International
Operational Safety Audit (IOSA) der International Air Transport
Association (IATA). „Ohne eine solche Zertifizierung kommt man nicht in
die Star Alliance.“ Dagegen sei es nie Ziel der Allianz gewesen, an Bord
einen gleichen Standard zu sichern. „Was Service und Ausstattung
angeht, darüber müssen die Airlines für sich selber entscheiden.“ Auch
Preisabsprachen
gebe es nicht. „Alles, was wir machen, ist von den
Kartellbehörde
n frei gegeben.“ So auch das „Round the World Ticket“ mit
einem Preis für alle beteiligten Fluglinien.
Mit grenzüberschreitenden gesicherten Informationen, mit gemeinsamen
Lounges und Vielfahrerprogrammen ist Railteam auf der Schiene am ehesten
mit den Luftfahrtallianzen zu vergleichen. Böte sich da nicht eine
Luft-Boden-Allianz an? „Man sollte nie etwas ausschließen“, erklärt
Star-Alliance-Mann Rüdiger und verweist auf unterschiedliche
Kooperationen zwischen DB und LH. „Wir sind noch nicht Mitglied der Star
Allianc
e“, sagt DB-Mann El-Hussein, sieht aber durchaus Potenzial etwa
bei grenzüberschreitenden Flug- und Bahntickets.
Und was sagt die Bahn zur kommenden Fernbus-Liberalisierung? „Wir
stellen uns darauf ein“, erklärt El-Hussein und räumt ein, dass die
Busverbindungen „eventuell an den Fernverkehrs-Verbindungen nagen“
könnten. „Wir haben keine vollkommene Sicherheit über das, was kommen
wird.“ Dass wichtige Bahnknoten den Fernbussen zum Opfer fallen könnten,
schließt der Bahn-Manager aus. Problematisch könnte es aber eventuell
in den Randzonen werden. Möglicherweise eine Chance für
„Nischenanbieter“. Im Großen und Ganzen ist für El-Hussein „der
Mobilitätsmarkt in Europa hochattraktiv“, auch weil der Zugverkehr
internationaler werde. Mit der Gleichung Fahrzeit gleich Nutzzeit könne
die Bahn auch gegenüber dem Flugzeug punkten. Was das Image angeht,
beneidet der DB-Mann jedoch den Kollegen von der Star Alliance:
Airlines sind immer sexy. Die Bahn wird es aber auch! Dafür werden wir
hart gegen die Klischees in den Köpfen kämpfen.“

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