Die Deutschen werden immer älter, das merkt man auch auf Reisen. Schon jetzt stellen die „Senioren“, die sich nur ungern als solche bezeichnen lassen, den Hauptanteil am Reisemarkt. Und sie sind eine umworbene Zielgruppe, weil sie mobil, zeitlich flexibel und nicht knauserig sind. Die Touristische Runde zum Thema „Die Alten kommen. Senioren als Rettungsanker der Tourismusbranche“ brachte ein Fazit: „Die Zielgruppe Senioren“ gibt es eigentlich nicht. „Die Menschen haben bis ins hohe Alter unterschiedliche Lebens- und damit auch Urlaubsvorstellungen“, macht Peter Zimmer von Futour klar.
Da gebe es „die früh verrenteten 60-Jährigen, die voll im Saft stehen“,
die Menschen Mitte 70, die an der Seniorenuni promovieren, die
85-Jährigen, die wegen ihrer Treue mit der silbernen Kreuzfahrtnadel
ausgezeichnet würden… Als Senior, so Zimmer, wolle sich keiner fühlen.
„Jeder glaubt doch bis zuletzt, dass er noch voll im Leben steht.“ Nicht
zuletzt daran seien schließlich die Grauen Panther gescheitert:
„Senioren sind eben keine Massenbewegung“. Und das, obwohl es in 40
Jahren doppelt so viele 60-Jährige geben wird wie heute. Wichtig für die
älteren Reisenden, so Zimmer, seien die drei Säulen Komfort, Sicherheit
und Erlebnis sowie Inhalte, die sich an der Lebenserfahrung der Kunden
orientieren.
Das Reisen könnte dann insgesamt kultivierter werden, mehr auf Sinn als
auf Spaß ausgerichtet. Denn Senioren haben ihre Ansprüche. „Unsere Alten
sind doch nicht dumm. Sie wissen vielleicht nicht immer, was sie
wollen. Aber eines wissen sie ganz genau, was sie nicht mehr wollen“,
ist Volker Schmidt, Vorstandsmitglied des Deutschen Seniorenrings
überzeugt. Wichtig ist seiner Meinung nach, dass Ältere überzeugt werden
wollen, nicht überredet. Von inhaltslosem „Marketinggeplapper“ hielten
die Älteren nichts.
Diese Meinung teilt Elisabeth Stettmeier. Die pensionierte Lehrerin
sieht sich mit ihren 76 Jahren als „junge Alte, agil statt senil, mobil
und engagiert“. Für sie unterscheiden sich Senioren freundliche Reise
kaum von anderen Reisen. Beglückend, begeisternd, interessant sollten
die Reisen sein. Für sich bevorzugt Elisabeth Stettmeier Bildungsreisen –
auf keinen Fall würde sie „ausschließliche Seniorenreisen“ buchen: „Da
entwickelt sich immer so ein gewisser Starrsinn.“ Was sie will ist
Sicherheit vor Risiko, sind zuverlässige Ansprechpartner, kompetente –
möglichst deutschsprachige – Führer, Erlebnis und Erholung. „Ich bin
keine Abenteurerin“, gibt die Rentnerin zu bedenken, die gerade von
einer Rundtour durch Israel, Jordanien und den Sinai zurück ist und von
einer Reise nach Usbekistan träumt. Am liebsten wähle sie eine „mir
zusagende Pauschalreise“.
Was sie sich wünscht, ist mehr Flexibilität auf Seiten der Veranstalter,
mehr Freiheit in der Programmgestaltung. „Vielleicht lieber mal
Wellness statt Wandern, ein Konzert statt des Folkloreabends“. Und:
„Senioren wollen nicht durchs Programm gehetzt werden.“ Das Hotel sollte
im Zentrum, nicht in der Pampa sein, einen gewissen Komfort und ein
angenehmes Ambiente haben und zum Frühstück und Abendessen ein Büfett
anbieten – der individuellen gesundheitlichen Ansprüche wegen. Was sie
oft vermisst, sind Sicherheitsgriffe an Dusche und Wanne. Was sie
verärgert, sind der Einzelzimmerzu, schlag „ein wunder Punkt“, und die
mitternächtlichen An- und Abreisezeiten, „von Alleinreisenden
gefürchtet“. Schön wäre da, meint Elisabeth Stettmeier, ein Abholdienst,
„der erspart auch das lästige Kofferschleppen“. Konkrete Vorstellungen
hat sie für Busreisen, wo sie Fußstützen und Panoramafenster fordert und
eine großzügige Platzgestaltung. Dass bei manchen Reisen der An- und
Abreisetag als Urlaubstag entfällt, findet sie ärgerlich. „Senioren
rechnen und kalkulieren“, gibt sie den Veranstaltern auf den Weg.
Als Gast für das Kneippheilbad Wörishofen ist die reisefreudige Dame
wohl kaum zu gewinnen, fürchtet Bürgermeister Klaus Holetschek,
Präsident des Bayerischen Heilbäderverbandes. „Da ist meine Schwester
gerade, die ist zehn Jahre älter“, wirft Elisabeth Stettmeier ein, und
zeigt damit das Problem auf, mit dem Kur– und Heilbäder kämpfen. Für
eine Kur, meinen die meisten Deutschen, sei auch im hohen Alter noch
Zeit genug. Dabei gehe es doch darum, „die Lebensqualität im Alter zu
erhalten“, sagt Holetschek. Und mit der Prävention beginne man am besten
schon mit 40 und nicht erst mit 80. Trotz mancher Rückschläge glaubt
der Fachmann, dass die Heilbäder vom demographischen Wandel profitieren
könnten. „Wir müssen das Thema Gesundheit nutzen, dann haben wir eine
gute Chance. Denn Gesundheit ist der Markt der Zukunft“, macht
Holetschek sich Mut. Leicht werde es wohl nicht: „Wir müssen uns
anstrengen.“
Das sieht auch Sybille Wiedenmann, Geschäftsführerin von Bayern
Tourismus Marketing. Bayern biete keine speziellen Seniorenreisen, wohl
aber in allen Angebotssegmenten Erlebnisbestandteile, „die tendenziell
auch ältere Menschen ansprechen“: Möglichkeiten zum Bummeln, zum
Naturerlebnis, Museen, Cafes, Tradition. Besonders erfolgreich sei das
Angebot „Mit Großeltern auf Tour“ im Kinderland-Segment. „Wir sind
ziemlich gut aufgestellt“, stellt Wiedenmann zufrieden fest. Und für die
Ältereren, die etwas gegen ihre Schmerzen tun oder Krankheiten
vorbeugen wollen, habe Bayern „Moor, Kneipp und mehr“. Erfreulich sei,
dass sich auch alte Damen gemeinsam zu einem Wellness-Wochenende
aufmachen nach dem Motto „Machen wir uns ein paar schöne Tage“. Typisch
bayerisch nennt Wiedenmann die von Senioren geschätzte Verbindung von
Natur, Kultur und Genuss in Angeboten wie „Pfronten königlich wandern“.
Spannende Programme in den Städten und komfortable Angebote in den
aussichtsreichen Sightsleeping Hotels können ihrer Meinung nach auch
verwöhnte Reisende zufrieden stellen. Im Blick hat die bayerische
Tourismusstrategin nicht nur die deutschen Senioren, sondern auch die
amerikanischen Babyboomer, die jetzt ins Rentenalter kommen. „Die haben
Zeit und wollen mittendrin sein.“
Mittendrin sein ist offensichtlich für die Altersgruppe der über
60-Jährigen besonders wichtig. Und daran scheitern bisher auch alle
Angebote, die sich speziell an die Älteren richten. Auch die
Reiseträume, die der Münchner Studienreisespezialist Studiosus 2002
unter dem Label Klingenstein als „Urlaub für aktiv gebliebene über
70-Jährige“ auf den Markt brachte. „Wir sind hoffnungsvoll gestartet“,
berichtet Studiosus-Sprecher Frano Ilic. „Im ersten Jahr lief es ganz
gut, im zweiten schon nicht mehr so gut.“ Die erhofften Teilnehmerzahlen
seien nicht erreicht worden. Um das Produkt auf dem Markt zu halten,
hätte man „überproportional investieren müssen“. Studiosus entschied
sich dagegen, „eine richtige Entscheidung“, wie Ilic meint. Man habe
sich mehr auf die Kernmarken Studiosus und Marco Polo konzentriert.
„Jetzt liegt das Ding in der Schublade. Vielleicht holen wir’s ja später
mal wieder raus.“