Skiurlaub: Was Hänschen nicht lernt…

Die Skikarusselle werden immer größer, die Liftpreise erklimmen astronomische Höhen und das in Zeiten, in denen das Geld nicht nur in den Ländern und den Kommunen knapp ist, sondern auch in den Taschen der Familien. Sie leiden am meisten unter Preisanstiegen, multipliziert sich die Summe der Ausgaben doch jedes Mal um mindestens drei oder vier. „Können Familien sich einen Skiurlaub überhaupt noch leisten?“ fragte die Touristische Runde in München. Die Antworten waren eher differenziert.

Obertilliach in Osttirol etwa bietet Kinderskipasspreise bis 18 Jahre
und ist damit rekordverdächtig. Eine größere Nachfrage von Familien
konnte Hansjörg Schneider, Leiter des Tourismusbüros, dennoch nicht
feststellen. Trotzdem ist er überzeugt davon, dass die Aktion „ein
Schritt in die richtige Richtung“ ist. Obertilliach habe als kleines, in
sich geschlossenes Skigebiet noch günstigere Tarife und müsse sich
darum bemühen, bekannt zu werden. Mit seiner Überschaubarkeit, den
kurzen Wegen und den günstigen Liftpreisen – „wir haben keine
Liftpreiserhöhung“ – spreche der Ort eben vor allem Familien an. Und
anders als in „aufgeblähten Skizirkussen“ könnten die Eltern ihre Kinder
auch mal allein zum Lift gehen lassen.
Für Beat Blaser, den aus Interlaken stammenden Leiter Individualreisen
bei Thomas Cook, ist der Urlaub im Schnee zwar „ein wichtiges Segment“,
aber mit einem mittleren einstelligen Prozentbetrag im Gästeaufkommen im
Vergleich zum Badeurlaub klein. „Wir haben bei Neckermann
Familienurlaub
in der DNA“, versichert Blaser, „Eltern und Kinder sind
Bestandteil unseres Markenkerns“. Schon deshalb gebe es bei Thomas Cook
und Neckermann Angebote, die Familien sich leisten könnten. Die
Skigebiete in Tschechien oder der Slowakei etwa hätten ein „deutlich
günstigeres Preisniveau als Österreich oder die Schweiz“. Außerdem biete
das Programm auch die kleineren Skigebiete mit dem Lift vor der Haustür
– sie seien „oftmals unbekannter als z.B. St. Anton, aber gerade für
Familien
erschwinglicher und wegen ihrer Kompaktheit convenient“.
Wichtig für Familien ist nach Blasers Erfahrung auch die
Budgetsicherheit. „All inclusive funktioniert auch im Winter sehr gut“,
ist er überzeugt. Familien mit nicht schulpflichtigen Kindern rät er zu
mehr Flexibilität: Dann gäbe es auch Termine, an denen der Winterurlaub
besonders günstig ist, und manchmal sogar der Skipass im Preis
inbegriffen.
„Eine schwierige Konkurrenzsituation“ beklagt Alexander Anetsberger,
Marketingleiter des Bayerischen Waldes. Obwohl es auch im Bayerischen
Wald
„Schnee genug“ gäbe, werde er nicht als die Winterdestination
wahrgenommen. „Wir haben nicht die großen Skiverbünde, die vielen
Pistenkilometer.“ Deshalb versuche man, Familien mit Komplettpaketen zu
locken, in denen Unterkunft, Verpflegung und auch schon mal die
Liftkarte enthalten ist. An den kleinen und mittleren Liften könnten die
Familien sicher und bequem Skifahren lernen, wirbt Anetsberger. Für
besonders wichtig hält er familienfreundliche Unterkünfte, von denen es
im Bayerischen Wald reichlich gäbe. Allein 150 Betriebe vom Urlaub auf
dem Bauernhof bis zum Kinderhotel seien von Kinderland Bayern
zertifiziert. Auch Skigebiete, die Kinderland-Partner sein wollen,
müssten bestimmte Kriterien erfüllen und neben Zauberteppichen und
Wärmestube für die Kleinen u.a. auch eine Spielecke und kostenlosen Tee
bieten. Stolz ist Anetsberger darauf, dass sich die Kinderlandregion
Nationalpark Bayerischer Wald
mit immerhin vier Bärchen (fünf sind die
Höchstzahl) schmücken darf. Denn: „Man muss sich schon an die Decke
strecken, um vier oder fünf Bärchen zu erreichen.“
Aldiana braucht keine Bärchen. Mit dem Hochkönig und dem Club im
Salzkammergut fühlt sich der Anbieter als „Qualitätsheimer“, so Gunther
Träger
. Und gerade in den Bergclubs spielten Familien eine „sehr, sehr
große Rolle“. Im Hochkönig seien deshalb die Hälfte der Zimmer
Familienzimmer. Maximal zwei Kinder bis 14 Jahre wohnen kostenfrei im
Zimmer der Eltern samt Rundumverpflegung und Gratis-Skikurs. Seien die
Kinder versorgt, könnten auch die Eltern die Clubangebote wie
kostenfreies Skiguiding oder Snowboardkurse genießen, ist Träger
überzeugt. Immerhin beweise die „extrem hohe Wiederholerrate von 70
Prozent“, dass das Angebot gut ankomme.
„Bärenstark“ ist mit fünf Kinderland-Bärchen das Angebot von Bad
Hindelang
im Allgäu. Hier gibt es insgesamt fünf Kinderlandhotels,
darunter zwei Familotels, Skischullifte direkt an den Hotels und seit
einem Jahr auch eine neue Gästekarte, in der auch der Skipass enthalten
ist. 240 von 400 Gastgebern, so Kurdirektor Max Hillmeier, versorgen
ihre Gäste mit dieser HindelangPlus-Karte für Kinder und Erwachsene. Sie
zahlen dafür ganzjährig eine Umlage „deutlich unter fünf Euro“ für jede
Übernachtung. Unter den 17 kostenlosen Leistungen, die so finanziert
werden, ist die freie Fahrt auf 32 Pistenkilometern sicher die
interessanteste. Inkludiert sind auch die Mobilität vor Ort sowie der
Eintritt in die unterschiedlichsten Freizeiteinrichtungen. Die
Erfahrungen mit diesem „Sesam-öffne-dich“ für Gäste sind laut Hillmeier
nach einem Jahr gut: 90 Prozent seien zufrieden bis sehr zufrieden und
wollten wieder kommen, ebenso viele würden Bad Hindelang weiter
empfehlen.
„Wir bauen sehr stark auf Familien“, sagt der Allgäuer Kurdirektor. Wie
aber sieht es mit Patchworkfamilien aus, die zuweilen mit fünf bis
sieben Kindern anreisen und damit alle Kapazitäten sprengen? Beat Blaser
hat sowohl bei Neckermann als auch bei Thomas Cook festgestellt, dass
vor allem Patchworkfamilien „nicht nur preisgetrieben“ sind. „Man gönnt
sich was, wenn man schon mal zusammen ist, den Kinderskikurs oder auch
die Betreuung.“ Außerdem gäbe es fast „keine Unterbringungsvariante, die
es nicht gibt“. Allerdings rät Blaser solchen XXL-Familien möglichst
frühzeitig zu buchen, um ihre Wunschunterkunft zu sichern. Das meint
auch Alexander Anetsberger für den Bayerischen Wald, wo „umfassende
Lösungen für Großfamilien noch fehlen“. Der Osttiroler Hansjörg Schneider sieht diese
Familien auch in Ferienwohnungen gut aufgehoben und verweist darauf,
dass die Tagesskikarte ab dem fünften Kind kostenlos ist.
Grundsätzlich sind sich alle Referenten einig, dass der Skiurlaub im
Winter bei Familien einen hohen Stellenwert hat und dass man alles tun
müsste, um die Familien bei der Stange zu halten. Denn, wer die Familien
verliert, verliert auch die Kinder und damit den Nachwuchs: Was
Hänschen nicht kennt, interessiert Hans später nicht mehr.

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