Wild at heart: Clay Carmichaels Zoe

Ein wildes Mädchen ist diese Zoe, eigensinnig, klug und selbstbewusst – und das, obwohl ihre Kindheit beileibe nicht einfach war. Elf Jahre lebte sie mit ihrer schwer depressiven Mutter und deren wechselnden Freunden. Der Papa hatte sich schon vor der Geburt aus dem Staub gemacht. Und nun hat die Mutter Selbstmord begangen und das Mädchen sich selbst überlassen.

Wie gut, dass es da noch einen Onkel gibt, der sich um das verwaiste
Mädchen kümmern will. Einfach haben es beide erstmal nicht miteinander.
Zoe begegnet ihrem Onkel Henry, der früher ein berühmter Arzt war und
jetzt ein berühmter Künstler ist, mit dem Misstrauen, das sie das Leben
gelehrt hat. Und Henry ist es nicht gewohnt, sein Eigenbrötler-Leben mit
einem eigensinnigen jungen Mädchen zu teilen. Das sieht der alte Kater
auch so, der die allmähliche Annäherung der beiden kommentierend
beobachtet und selbst ganz allmählich zum Familienmitglied wird.
Die seltsame Familie wird bereichert durch das Faktotum Fred und dessen
todkranke aber lebensfrohe Frau Bessie, bei der Zoe die mütterliche
Wärme findet, die sie nie bekommen hat. Doch die sich anbahnende Idylle
dieser Patchwork-Familie ist gefährdet. Zoes Entdeckungsdrang hat sie
tief in den Wald geführt, wo sie eine menschenleere Hütte findet, in der
sie sich wohnlich einrichtet. Bald ahnt sie, dass sie nicht allein ist.
Das Geheimnis dieser Hütte hat viel mit ihr und der Geschichte der
Familie zu tun. Bis sie es ganz lösen kann, geschehen noch schlimme
Dinge, die sie und diejenigen, die sie beschützen will, in große Gefahr
bringen.
Clay Carmichael hat mit Zoe eine moderne Version von Pippi Langstrumpf
geschaffen. Auch „Der kleine Lord“ lässt grüßen. Und doch ist das eine
ganz neue, herzerfrischend moderne Geschichte um ein vernachlässigtes
Kind, das sich seinen Weg im Leben erkämpft. Schmerzhafte Erkenntnisse
verpackt die Autorin in die Kommentare des Katers oder nennt sie ganz
lapidar beim Namen. „Ein Kind kann nicht ohne Ende einstecken“, denkt
Zoe – und recht hat sie, wenn sie Gottes Gerechtigkeit anmahnt und für
sich ein bisschen Glück fordert. Carmichael lässt in ihrem Buch Zoe
unszensiert zu Wort kommen – ganz so als sei das Buch das
Ergebnis des Tagesbuchs, das Zoe im Auftrag ihrer Lehrerin geschrieben
hat. Die zweite Stimme gehört dem Kater, ein ebenso witziger wie kluger
Schachzug ganau wie die hübschen Schwarz-Weiß-Zeichnungen des schlauen
Vierbeiners. Rundum ein lesenswertes Jugendbuch mit liebenswerten,
kantigen Charakteren, die einem so richtig ans Herz wachsen.
Info: Clay Carmichael, Zoe, Hanser, 256 S., 13,90 Euro          

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