So klein die Insel ist, so groß ist ihr literarischer Output, denn Island lebt mit seiner Literatur und mit der Sprache, die sich seit dem Mittelalter kaum verändert hat. Deshalb können die 320 000 Isländer auch die Sagas über die Eroberung der Insel und das Leben der ersten Siedler im Original lesen.
Die Sagas über kämpferische Pioniere, Blutrache und das Leben am Abgrund sind das Bindeglied der Inselnation, über sie definiert sich ihre Identität. Ohne die Sagas wäre auch die heutige Literatur mit ihrer Fülle von Themen nicht denkbar. Und bis heute sind die Isländer ein Volk von Geschichtenerzählern.
Rund 30 isländische Autoren und Autorinnen werden zur Frankfurter
Buchmesse erwartet, auf der Island Ehrengast ist. Die Liebe der Isländer
zur Literatur spiegelt der Pavillon des Gastlandes, wo Hunderte von
Fotos und Videoporträts von Isländern in ihren privaten Bibliotheken zu
sehen sind. „Die meisten isländischen Haushalte haben ihre eigene,
kleine Bibliothek. Ohne dieses lebhafte Interesse an der Literatur
könnte sich ein selbstständiges Verlagswesen mit rund 30 Verlagen in
einem so kleinen Land gar nicht halten“, erklärt dazu Halldór
Guðmundsson, Direktor von „Sagenhaftes Island“.
Etwa 177 neue Titel stehen für die große Bandbreite der isländischen
Literatur, darunter viele Übersetzungen. Auch die deutschen Verlage
haben ganz offensichtlich Island entdeckt. Der S. Fischer Verlag legt
eine neu übersetzte und neu überarbeitete Ausgabe der Isländersagas auf
und macht damit Islands Beitrag zur Weltliteratur auch deutschen Lesern
zugänglich. Fast ebenso wichtig wie die Sagas ist für die Isländer das
Werk ihres Literatur-Nobelpreisträgers. Ohne Halldór Laxness, sagt
Steinunn Sigurdadóttir, selbst eine der wichtigsten Autorinnen, „wäre
unsere Kultur so nicht vorstellbar. Er war ein Erzieher. Seine Personen
gehörten zu unserem Alltag wie die Helden der Sagas.“
neuen Roman „Der gute Liebhaber“ die Entfremdung von und
Wiederannäherung an Island thematisiert, sieht die Veränderungen in
ihrer Heimat mit Skepsis. Das moderne Reykjavik habe nichts mit der
Stadt zu tun, in der sie aufgewachsen ist. „Die Welt war bei uns. Aber
wir kamen nicht in die Welt hinaus“, erinnert sie sich. Aber: „Wir
hatten unheimlich viel Spaß, gingen bei Minusgraden in Miniröcken. Uns
war immer kalt. Das war gut für die Liebe.“ Zu den Eltern, die oft schon
als Kinder arbeiten mussten, hatte diese Generation wenig Bezug. „Wir
waren alleine zusammen auf der Welt.“ Es sind diese Erfahrungen, die
Sigurdadóttirs wunderbar klare, schnörkellose Romane prägen.
Und die Insel. Als romantisch verbrämter Sehnsuchtsort für
Zivilisationsflüchtlinge und menschenfeindliche Ödnis lässt sie Raum für
Fantasie, die dieses Niemandsland über Generationen hinweg mit Elfen,
Trollen und Geistern bevölkert. In der modernen isländischen Literatur,
die sich auch mit der Krise des Landes auseinandersetzt, dem
Zusammenbruch der alten Strukturen, sind sie allerdings längst zur
Randerscheinung geworden. Es gibt andere Themen, die Islands
Selbstverständnis bedrohen: Die Umweltzerstörung durch die
Aluminiumverhüttung und die dafür nötigen Staudämme, die wachsende Kluft
zwischen Arm und Reich, die Flucht in Drogen und Alkoholismus. Reiche
Ernte für die zahlreichen Krimi-Autoren. „Wir waren stinksteinreich“,
blickt Steinunn Sigurdadóttir zurück. „Trotzdem gab es immer arme
Menschen auf Island. Aber niemand wollte das sehen.“ Auch die Medien
nicht.
Erst der Schriftsteller Andri Snaer Magnason wagte es, den
Isländern mit seinem Buch „Traumland“ den Spiegel vorzuhalten, zu
zeigen, wohin das „immer weiter, immer mehr“ führt – zur
Selbstverstümmelung: „Die Menschen bekamen nie die Möglichkeit, sich ihr
eigenes Jetzt zu schaffen. Sie wurden per Kaiserschnitt in die
Gegenwart geholt und leiden noch heute an diesem Trauma.“
„Es sieht so aus, als hassten die Isländer ihr Land“, wundert sich
Steinunn Sigurdadóttir und erzählt von den Menschen, die weggingen wie
der „gute Liebehaber“ in ihrem Roman. Auch sie ist weggegangen. „Ich
hätte meine Bücher nicht schreiben können, wenn ich die ganze Zeit hier
gelebt hätte“, ist sie überzeugt. „Dann hätte mir die Freiheit im Kopf
gefehlt.“ Von deutschen Lesern erreichten sie „endlose Reihen von
Liebeserklärungen“, die beweisen, wie groß das Interesse an der
isländischen Literatur und Island selbst ist. Sie aber liebt Berlin,
eine Stadt, „die viele Städte in einer ist und alles hat, was ein
Schriftsteller braucht“ mit „den freundlichsten Menschen der Welt.“ Ihr
nächster Roman, das verrät sie, wird nicht in Island spielen, sondern in
Berlin.
„Der Hunger nach guten Geschichten steckt tief in uns Menschen“, sagt
Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse zu den Aktivitäten der
deutschsprachigen Verlage: „Kaum ein Land ist so ein guter Beweis dafür
wie Island.“ Die Fülle an Neuerscheinungen zeige, dass das deutsche
Publikum die isländische Lust auf gute Geschichten teilt.
Oktober 25, 2011
Ich lese gerne Bücher aus Island. Ich habe einen Lieblingsautor für isländische Bücher. Ich kann mir mit der Geschichte gut die schönen Landschaften von Island vorstellen. Einmal möchte ich nach Island reisen, um mir ein paar dieser Schauplätze anzugucken.
Oktober 26, 2011
Es gibt tolle Autoren in Island. Kein Wunder bei der literarischen Tradition. Lese grade die Prosa-Edda von Snorri Sturluson. Da haben Tolkien & Co ganz schön gewildert!