Dieses Dorf ist ein von der Wiedervereinigung vergessenes Kaff. Wer
konnte, ist gegangen. Geblieben sind die Alten und diejenigen, die nicht
den Mut für einen Neuanfang aufbrachten. Ingrid ist gegangen,
klammheimlich. Nach dem Tod der Mutter kommt sie mit Mann und Sohn aus
Irland zur Beerdigung.
Ihre Rückkehr wird zum eigentlichen Auslöser für diesen vielstimmigen
Rechtfertigungsversuch einer Dorfgemeinschaft, die nie eine war und die
am liebsten über alles weggeschaut hat, was nicht ins Weltbild der
Mehrheit gepasst hat. Nur die Tote, Anna Hanske, sie war irgendwie
anders. Provozierend anders, weil sie sagte, was Sache ist.
Im verordneten Stillschweigen der anderen gedeihen Missverständnisse,
köcheln Gerüchte. Vieles wäre vielleicht anders gekommen, wenn sie
geredet hätten. Doch die verdruckte Feigheit ist Teil dieser
Dorfgemeinschaft wie der Verdrängungsmechanismus. Fast scheint beides
erblich. Denn die Jungen, nach der Wende geboren, sind auch nicht viel
anders als die Alten. Nur Romy und Ella fallen da aus der Reihe – und
natürlich Paul, Ingrid irischer Sohn, der so an den anderen Paul, den
Beatle, erinnert.
Judith Zander orientiert sich in ihrem komplexen und oft verstörenden
Dorfporträt am großen Uwe Johnson. Den Ton aber geben andere vor: Die
Beatles, in der hermetisch abgeschlossenen Welt von Bresekow verboten
aber auch bis zur Selbstaufgabe verehrt. Ein großartiger,
sprachgewaltiger Debütroman über das Leben, über Liebe und Tod, Gewalt
und Sexualität und über den Versuch einer Orientierung in richtungslosen
Zeiten.
» Judith Zander: Dinge, die wir heute sagten, dtv premium, 480 S., 16,90 Euro.