Auch das muss Odysseus einräumen, als er nach Jahren der Irrfahrten und
in den Betten verliebter Frauen zurück kommt nach Ithaka. Nichts ist wie
es war, als er auszog, um in Troja zum Helden zu werden. Auf seiner
Insel verspielen die „Reformer“ die Zukunft und machen seiner Frau
Penelope das Leben schwer. Und er selbst, Odysseus, ist alt geworden im
Kampf und auf dem langen Heimweg. Alt und desillusioniert. Am Ende zieht
er den Sohn, Telemachos, mit in den Kampf und sich den Zorn der Mutter,
Penelope, zu: „Du hast ihm das Schlimmste angetan, was ein Vater seinem
Sohn antun kann, du hast ihn zu deinesgleichen gemacht. Odysseus,
Verbrecher.“
Der mit Preisen überhäufte österreichische Autor Christoph Ransmayr
(„Die letzte Welt“, „Der fliegende Berg“) hat mit „Odysseus“ erstmals
ein Theaterstück verfasst. Im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr2010 wird
sein Odysseus, der so ganz anders ist als das Homersche Vorbild,
uraufgeführt. Dem genialen Autor ist auch dieses Debüt gelungen, er hat
den listenreichen Odysseus entlarvt als Lügner, der sich selbst etwas
vorgemacht hat. Statt Frieden zu bringen auf seine Insel, bringt er den
Tod. Ransmayr hat seine Parabel vom Krieg, der nur wieder Krieg gebären
kann, in klassischer Drama-Manier umge- und in die unsere Zeit versetzt.
Das macht es ihm möglich, in die Dialoge oder auch in den Chor der
Krüppel und Gefallenen Kritik am umstrittenen Afghanistan-Einsatz und
zeitgeistigen Philosophien („Alles bio“) zu verpacken. Zuweilen kommt
der Pazifismus allerdings etwas aufdringlich daher. Und manche Dialoge
leiden auch unter einem leicht missionarischen Tonfall. Dazwischen
gelingen Ransmayr aber großartig skurrile Szenen wie die mit den Hirten,
die um Gefallenenzahlen spielen. Der alte Homer würde sich im Grab
umdrehen!
Info: Christoph Ransmayr, Odysseus, Verbrecher. Schauspiel einer
Heimkehr, S. Fischer, 114 S., 12 Euro
25Mai. 2010
Der Held als Verbrecher: Christoph Ransmayrs „Schauspiel einer Heimkehr“
„Städteverwüster“ wird der als der Listenreiche in die klassische Literatur eingegangene Odysseus gleich zu Anfang von Christoph Ransmayrs „Schauspiel einer Heimkehr“ genannt. Schon der Titel „Odysseus, Verbrecher“ stellt klar, dass es der Autor nicht mit Helden hat, schon gar nicht mit solchen, die sich „Kollateralschäden“ schuldig gemacht haben. „Aus einem Krieg“, gibt die Strandläuferin Athene dem Heimkehrer mit auf den Weg, „ist noch keiner heimgekehrt – jedenfalls nicht als der, der er war.“