Er ist ein schwieriger Zeitgenosse, auch und vor allem, weil er unverblümt sagt, was er denkt. Mit seiner Ansicht, der Islamismus sei der Faschismus des 21. Jahrhunderts und deshalb mit allen Mitteln zu bekämpfen, ist Leon de Winter, der Sohn niederländischer Juden, immer wieder angeeckt. In seinen Romanen trägt der wortgewaltige Autor seine Botschaft in die Welt – ganz besonders in seinem neuesten Buch. „Das Recht auf Rückkehr“ ist ein flammendes Plädoyer für das Überleben Israels.
2024. Israel ist auf kleinen Überwachungsstaat geschrumpft und das
hippe Tel Aviv zu einer armseligen Getto-Stadt verkommen. Hier lebt
Bram Mannheim, in einem früheren Leben Professor für Nahost-Geschichte
im amerikanischen Princeton, Mann einer glamourösen indischen Jüdin und
stolzer Vater eines Sohnes, mit seinem hinfälligen Vater Hartog, einst
brillanter Chemiker, Nobelpreisträger und überzeugter Zionist. Bram,
der sich als junger Professor für das friedliche Zusammenleben von
Juden und Palästinensern eingesetzt hatte, betreibt eine Agentur für
die Suche nach verschollenen Kindern. Und das hat seinen Grund. Als
Vierjähriger verschwand sein Sohn Bennie in Princeton und Brams Leben
ging in Scherben.
Auf der rastlosen Suche nach seinem Sohn wird der Professor zum Penner.
Ein Zufall bringt Hartog auf seine Spur und Bram zurück in den
israelischen Alltag. Doch auch wenn er allmählich wieder in der
Normalität Fuß fasst, bleibt die Obsession, den Sohn finden oder seinen
Tod rächen zu müssen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Für Bram ist das eine
Frage alttestamentarischer Gerechtigkeit. Deshalb plagt ihn auch kein
schlechtes Gewissen, als er in den USA den benachbarten Kinderschänder
zur Strecke gebracht hat – auch nicht, nachdem er wieder Hoffnung
geschöpft hat, seinen Sohn doch noch zu finden. Ein Selbstmordattentat
auf einen israelischen Grenzposten weckt in Bram einen aberwitzigen
Verdacht: Bennie könnte wie der Attentäter Opfer einer von langer Hand
vorbereiteten Entführung sein mit dem perfiden Ziel, jüdische Kinder zu
islamistischen Terroristen zu machen.
Leon de Winter hat in diesem grandios komponierten Roman einen großen
Bogen geschlagen, vom Jahr 2004 in die Zukunft. Dabei verknüpft er
meisterhaft die privaten Probleme seines Protagonisten mit dem
Überlebenskampf des Staates Israel. Wie der alte Zionist Hartog zum
hilflosen Kleinkind mutiert, ist das einst stolze Israel zu einem kaum
überlebensfähigen Stadtstaat geschrumpft. Wer kann, geht. Das Recht auf
Rückkehr interessiert höchstens noch die Palästinenser: „Der jüdische
Traum von der Rückkehr in das Land der Vorväter hatte bei den
palästinensischen Arabern genau den gleichen Traum erzeugt.“ De Winter
spielt mit vielen Motiven, dem Zufallsprinzip und dem Prinzip Hoffnung,
den Lektionen aus der Geschichte und dem Terror der Gegenwart. Der nie
um Worte verlegene Autor kratzt an den Sicherheiten unserer Gesellschaft und zieht seinen Lesern bedenkenlos den Boden unter den
Füßen weg so wie er seinen Protagonisten durch die Hölle schickt, um
ihm am Ende einen Zipfel Hoffnung zu gönnen. Ein fesselnder, teilweise
auch verstörender Roman.
Leon de Winter, Das Recht auf Rückkehr, Diogenes, 550 S., 22,90 Euro – erscheint im September