Schein-Heilig: Ursula Niehaus‘ „Das Heiligenspiel“

 In Augsburg gibt es Stadtrundgänge auf den Spuren von Anna Laminit. War die Frau, die im schweizerischen Fribourg durch Ertränken starb, eine Betrügerin oder ein Opfer der damaligen Zeit, wie Ursula Niehaus es in ihrem historischen Roman „Das Heiligenspiel“ darstellt? Mit Sicherheit war die Augsburger Begine, die womöglich mit einem Welser ein Kind hatte, keine „echte Heilige“, sondern eher schein-heilig. Doch ob das Vorspiegeln falscher Tatsachen nur dazu geschah, andere über den Tisch zu ziehen, ist bis heute ungeklärt. Dennoch ging Anna Laminit als „geistliche Betrügerin“ in die Annalen ein.

Ursula Niehaus hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Frau hinter
der vorgeblichen Betrügerin ans Licht zu holen. Dabei bleibt sie so
dicht wie möglich an der historischen Wahrheit dran und erzählt
trotzdem eine überaus spannende Geschichte, in der Augsburg zur
Zeit des ausgehenden Mittelalters lebendig wird mitsamt seinen
Badehäusern, den Märkten und dem Seelhaus zu St. Anna, der Wohnstatt
der Beginen. Niehaus‘ Anna ist eine sympathische, patente Frau,
die das Pech hat, mehrmals an die falschen Leute zu geraten. Mit List
und einem gehörigen Maß an Schlauheit zieht sie aber immer wieder den
Kopf aus der Schlinge. Dabei ist ihr der Kaufmann Anton Welser, mit dem sie eine Liebesbeziehung verbindet, eine große Stütze.
Die Fugger, die in diesem Jahr den 550. Geburtstag Jakob Fuggers feiern, werden das Buch nicht allzu gerne lesen. Verkörpert Anton Welser den redlichen Kaufmann, kommt Jakob Fugger
bei Niehaus als neureicher Aufsteiger daher, ungeliebt von den
selbstbewussten Patriziern der Stadt: „Einzig sein geschäftlicher
Erfolg und sein unermesslicher Reichtum hatten dazu geführt, dass Jacob
Fugger in diese vornehmen Kreise hatte einheiraten können. Schließlich
war sein Großvater nur ein Weber gewesen.“
Das Heiligenspiel“ ist kein wirklich großer Wurf, aber solide Kost für alle, die gerne in der Historie schmökern. Denn Ursula Niehaus
hat sich gründlich am Ort des Geschehens umgeschaut und macht
stilistische Schwächen durch stimmungsvolle Schilderungen wett, so dass
die Leser tatsächlich in Annas Zeit eintauchen.
Info: Ursula Niehaus, Das Heiligenspiel, Knaur, 562 S., 24,95 Euro

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