Amerikanische Krankheit: Joey Goebels „Heartland“

Wahrscheinlich hat Joey Goebel an der Bush-Familie Maß genommen. Die Mapothers in seinem neuen Roman „Heartland“ haben viel Ähnlichkeit mit der ehemaligen US-Präsidentenfamilie. Sie sind reich, ehrgeizig und von der Mission besessen, den Vereinigten Staaten das Heil bringen zu müssen.

Da ist das Familienoberhaupt Henry, der skrupellos den Weg an die Macht verfolgt. Da ist der nach etlichen Irrwegen und Alkoholexzessen in den Schoss der Familie heimgekehrte John, der sich gerne für den elterlichen Ehrgeiz instrumentalisieren lässt. Da ist Elizabeth, die bigotte Mutter, in deren abstrusen Träumen John schon Präsident ist.
Nur Blue Gene tanzt aus der Reihe. Der jüngste Sohn der Mapothers hat sich von der heilen Familienwelt abgenabelt und pocht darauf, sein eigenes Leben zu führen, zu dem Wrestling, Flohmärkte und Alkohol die wichtigsten Ingredienzien sind. Dass John das „schwarze Schaf der Familie“ in seinen Wahlkampf einspannt, passt zwar dem Patriarchen Henry nicht, ist aber ein genialer Schachzug. Denn Blue Gene hat nicht nur das Ohr am Puls der kleinen Leute, er genießt auch ihr Vertrauen…
Doch dann verliebt sich der Junior und alles läuft auf eine Katastrophe hinaus, zumal Blue Gene auch noch erfahren muss, dass sein ganzes Leben auf eine Lüge aufgebaut war.
Joey Goebel, Jahrgang 1980, der schon mit „Vincent“ und „Freaks“ sein außergewöhnliches Talent bewiesen hat, in einem fulminanten Rundumschlag den Wahnsinn unserer Zeit zu karikieren, wagt sich in Heartland an eine groß angelegte Familiensaga in der Tradition von John Irving. In seiner fast brutalen Abrechnung mit dem amerikanischen Traum und in seiner oft irre komischen Schreibe erinnert Goebel an den Altmeister der Pop-Literatur T.C. Boyle.
Info: Joey Goebel, Heartland, Diogenes, 714 S., 22,90 Euro

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