Wissen Sie, was eine Mailorder-Braut ist? Nein? Dann sollten Sie sich schleunigst aufklären lassen. Am besten mit Anya Ulinichs Roman „Petropolis“. Der erzählt nämlich von so einer Mailorder-Braut, also einer Frau, die Mann aus dem Katalog bestellen kann.
Sascha ist alles andere als eine Traumfrau aus dem Osten. Dunkelhäutig wie ihr Vater, mollig dazu, ledige Mutter einer Tochter und dem Namen nach jüdisch. Trotzdem schafft sie es aus dem trostlosen sibirischen Kaff Asbestos 2 ins Land ihrer Träume und der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten. Der Amerikaner Neal ist dabei nur die erste Durchgangsstation. Denn Sascha will den Vater finden, der sie und ihre Mutter vor Jahren Richtung Amerika verlassen hat. Das tut sie auch, aber dieser Vater ist ganz anders als sie sich ihn erträumt hat. Auch die Liebe ihres Lebens ist alles andere als ein Traummann. Aber Sascha hat schon als kleines Kind gelernt sich durch zu beißen und dieses Talent wird sie auch in ihrer neuen Heimat brauchen.
„Am späten Nachmittag fährt der Bus in Chicago ein. Sascha sieht Gleisanlagen, stillgelegt Fabriken und Betonwohnblöcke, genau wie in Asbest 2, nur viel Größer. Manche Hochhäuser stehen in Reihen, manche in Halbkreisen. Die Fassaden haben schwarze Flecken, wie Brandmale. Der Himmel sieht aus wie ein Bluterguss.“
Nicht gerade einladend, der Blick hinter die Kulissen des amerikanischen Traums. Die 35-jährige Anya Ulinich kam selbst aus Russland in die USA und ihr hoch gelobter Romanerstling verarbeitet mit Sicherheit viele eigene Erfahrungen. Doch er tut das mit soviel Frische, Frechheit und haarsträubendem Galgenhumor, dass er einfach unwiderstehlich wirkt. Eine höchst unterhaltsame Lehrstunde in Globalisierung der etwas anderen Art.
Info: Anya Ulinich, Petropolis – Die große Reise der Mailorder-Braut Sascha Goldberg, dtv premium, 420 S., 14,90 Euro