(Buch)
Autor: Rafael Chirbes, aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz
Verlag: Kunstmann, Antje, Verlag Erschienen am: 2008-09-03 Seiten: 432 ISBN: 3888975212 |
Nein, dies ist kein neuer Roman über den Holocaust. Dieses Krematorium ist ein modern, die letzte Station, wo Leben zu Asche wird. In diesem Fall gilt das für Matias, den jüngeren Bruder des Immobilienmoguls Ruben. Seinen Tod nimmt Rafael Chirbes in seinem Roman "Krematorium" zum Anlass für einen Rückblick im Zorn und eine bittere Abrechnung mit dem modernen Spanien.
Ein charismatischer Mann war dieser Matias, einer, der sich nicht anpassen wollte, der seine Träume vom ökologischen Leben verwirklichte – auch auf Kosten anderer. Seinen erfolgreichen Bruder Ruben, der für sein Immobilien-Imperium auch über Leichen ging, hat Matias immer verachtet. Rubens Tochter Silvie und der intellektuelle Schwiegersohn folgen ihm darin und doch nehmen sie Rubens Geld genauso wie Rubens blutjunge Frau Monica.
Matias‘ Tod und geplante Verbrennung ist für alle Anlass, sich Gedanken zu machen – über das Leben, den Tod und das Überleben in einer Welt ohne Werte: "Ruben hat schon immer gewusst, dass die Welt eine Werkbank ist, so eine , wo alle Werkzeuge in Reichweite sind und du nur die Hand ausstrecken musst , um sie einzusetzen, sie zu benutzen; due weißt, wofür jedes einzelne gut ist und wie du es einsetzen musst: Dein Schwiegervater ist ein interessantes Exemplar, man kann an ihm andere Formen des Bösen studieren, oder vielleicht, wie er sagt, Formen des Überlebens."
Der Spanier Chirbes lässt in seinem Roman einen dissonanten Chor zu Wort kommen. In der Form des inneren Dialogs setzen sich Frauen und Männer, Patriarchen und Handlanger, Nutten und Intellektuelle mit der Realität auseinander, einer Welt ohne Erbarmen, in der ein unerbittlicher Kapitalismus wütet wie eine apokalyptische Bestie. In dieser Welt gibt es nicht gut oder böse, nicht schwarz und weiß, sondern nur hoffnungsloses Grau.
Die ganze Welt ein Krematorium? Der belesene Autor Chirbes legt in seinem weisen, mit vielen literarischen Anspielungen gespickten Roman den Schluss nahe. Ein meisterhaftes Lehrstück.
Info: Rafael Chirbes: Krematorium, Kunstmann, 428 S., 22 Euro