Gehört die Zukunft dem elektronischen Reisebegleiter?

Computersoftware ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Vor allem nicht aus unserem journalistischen Alltag. Google und Wikipedia erleichtern die Arbeit, auch wenn man mit Sorgfalt an die Sache herangehen sollte, wie jüngst im Spiegel nachzulesen. Aber immer mehr ersetzen elektronische Beiträge das gedruckte Wort. Die Zeitungen können ein Lied davon singen, Lexika ebenso und jetzt trifft es auch die Reiseführer. Was MerianScout angestoßen hat, zieht Kreise. Was machen diese Neuentwicklungen mit uns? Machen sie uns freier, unabhängiger von menschlichen und gedruckten Reiseführern? Oder machen sie uns noch abhängiger von elektronischen Medien, so dass wir schließlich alles Planen den Geräten überlassen – am Ende auch das Denken? Die touristische Runde München diskutiere über Vor- und Nachteile der Neuentwicklungen und über mögliche Weiterentwicklungen.

Nach Carsten Leininger von iPublish, dem Mutterhaus von MerianScout, macht „TravelScouting“ die Reise zum Vergnügen. Der MerianScout, vielfach ausgezeichnet, kombiniert einen Multimedia-Reiseführer mit einem Navigationssystem und sei, so Leininger, mehr als die Summe seiner Teile. Er biete neben der Navigation  Anregung und Beratung, liefere die virtuelle Hintergrundinformation zur reellen Begegnung und sorge dafür, dass der Reisende nicht nur schneller sondern auch schlauer ans Ziel komme. Der mobile Reisebegleiter ist mit Tipps aus der Merian- und Feinschmecker-Redaktion, mit Bildmaterial und Hörstücken ausgerüstet und kostet in der Premium-Ausgabe immerhin 799 Euro. Günstiger ist die Kompakt-Variante für 599 Euro, am billigsten die Individual Variante für 399 Euro. Bei der letzteren ist allerdings der inhaltliche Umfang stark eingeschränkt. Sie ist darauf angelegt, vom User nach eigenen Bedürfnissen bestückt zu werden. Natürlich sind nach Leiningers Meinung „alle Geräte ihr Geld wert“.  Man bemühe sich darum, die Bedürfnisse der Reisenden zu befriedigen und sorge für strukturierte Informationen, die nach Interessen sortiert sind. Mit MerianScout, wirbt Leininger, erhalte der Satz „Reisen bildet“ neuen Inhalt.
Wesentlich preiswerter  als der Trendsetter ist Falk.Marcopolo.Interactive mit 149 Euro. Dafür hat der schlanke Travelguide  aus dem Hause MairDuMont auch nur eine sehr übersichtliche Menge an Reiseführerinhalten zu bieten, die wenig strukturiert wirken. Die Insider-Tipps, POIs (points of interest) genannt, erklärte Katrin Hilger von Talk about, kämen aus der Marco-Polo-Reihe. Alles sei noch „work in progress“, würde also ständig verbessert. Bisher jedenfalls hapert es noch bei den Sehenswürdigkeiten am Wegesrand. Bei einer Testfahrt ins Allgäu etwa fanden weder Landsberg, das als bayerisches Rothenburg gilt, noch Kaufbeuren, eine Stadt mit Geschichte, Erwähnung.  Augsburg, immerhin Bayerns älteste Stadt, war dem Guide nicht der Rede wert, während die Automatenstimme zu München einiges zu vermelden hatte. Nicht einmal die Fuggerei, der Welt älteste Sozialsiedlung, wurde näher erläutert. Das soll sich schnellstens ändern, versprach Hilger. Die neue Generation setze auf Community. Die User könnten ihre eigenen Eindrücke eingeben und anderen zur Verfügung stellen. So werde der interaktive Reisebegleiter „immer vielfältiger“.
Auch beim ADAC hat die digitale Zukunft schon begonnen. In Zusammenarbeit mit navigon, so Wolfgang Satzger, habe man Städteführer mit 50 Stadtrundgängen, Bild, Ton und Öffnungszeiten produziert – zum Preis von 299 Euro. Für den Leiter des touristischen Informations- und Produktmanagements bleibt jedoch das Tourset in Papier mit großer Landkarte, „auf der man sich auch orientieren kann“, Herzstück der ADAC-Informationsquellen. Darauf bauten die Regional- und Städteführer auf, die es zum Runterladen aufs Handy gebe. Zusätzlich biete der ADAC auch ein Tourset Audio für mittlerweile zehn Städte, auf dem jeweils 18 Sehenswürdigkeiten näher erkundet werden, per „Files und Features, mit Originaltönen und Interviews“. Mitglieder zahlen dafür 5,95, Nicht-Mitglieder 8,95 Euro. In den vor Ort produzierten drei- bis vierminütigen Beiträgen werden Anekdoten und spezielle Geschichten erzählt. Die Audio Guides, so Satzger, eigneten sich zur Nutzung vor Ort ebenso wie zum Einhören vor der Reise. 
Das ist bei Globe2go anders. iPod statt Baedeker empfehlen die Macher Roman Kotzsch und Albrecht Selge aus Berlin, die mit ihren AudioGuide den Städtetouristen lenken wollen. Das Prinzip: Der Besucher hört die Infos im Laufen und er sieht was er hört. Die Themen, dialogisch in Hörspielform oder Interviews aufbereitet und oft musikalisch unterlegt, sollen Lust machen, anregen. Acht bis zwölf Stationen lassen sich so binnen zwei Stunden mit dem Knopf im Ohr erleben. Dazu gibt es eine Karte zum Ausdrucken mit allen Stationen. „Metergenaue Navigation ohne GPS“ verspricht Albrecht Selge, der die Touren selbst abläuft und dabei die Schritte zählt. Die Städteführer für die Ohren bisher für Berlin, Paris, London, Wien Rom und in Bälde auch für München sollen subjektives Erleben vermitteln, etwa so „wie wenn ein guter Stadtführer einen an der Hand nimmt“. Das Ganze gibt es auch auf CD für 9,95 Euro, der MP3-Download kostet 7,95 Euro. „Wir machen Urlaub“, beschreibt Roman Kotzsch das Berliner Produkt und stellt sich mit dieser Aussage in Gegensatz zu Carsten Leininger, der mit MerianScout auf das Reisen  an sich abzielt.
Langfristig, davon ist ADAC-Mann Satzger überzeugt, werden Navigationsgeräte das Reiseverhalten verändern. In Deutschland gebe es derzeit fünf Millionen mobile Navis, hinzu kämen die fest eingebauten. Seither stagnieren auch die TourSets. Trotzdem glaubt Satzger, dass es auch noch in fünf Jahren Reiseführer und Landkarten auf Papier gibt ebenso wie es  trotz Fernsehen noch Theater gibt. Spannend werde die neue Technologie erst, wenn man die Eingabe per Sprache machen könnte. Noch ist man bei MerianScout allerdings gegen die Spracheingabe.
„Wir stellen uns dem Thema, wenn die Technik so weit ist“, verspricht Carsten Leininger.
Und die Zukunft? Bis 2012 will MerianScout andere Plattformen mit einbeziehen wie etwa das smartphone. Falk.marcopolo setzt auf stärkere Vernetzung mit dem Internet. Globe2go denkt an verschiedene Koppel-Möglichkeiten, etwa mit googlemaps auf smartphone. „Die Zukunft ist online“, stellt Wolfgang Satzger klar, auch wenn Travel 2.0 noch in den Kinderschuhen stecke. Letztlich, da waren sich alle einig, bestimme der User, wohin die Reise gehe.

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