(Buch)
Verlag: Schmidt (Erich), Berlin
Erschienen am: 2008-06 Seiten: 242 ISBN: 3503106073 |
Wer würde von Dubai sprechen gäbe es das Burj al Arab nicht, von Bilbao ohne Gehrys Guggenheim Museum? Architektonische Ikonen prägen das Bild neuer und alter Urlaubsdestinationen. Das freilich ist keine ganz neue Entwicklung. Was wäre Paris ohne den Eiffelturm, New York ohne das Empire State Building, San Francisco ohne die Golden Gate Bridge oder das Allgäu ohne Neuschwanstein? Architektur bringt Tourismus und Tourismus schafft Architektur. Die Münchner Freizeitforscherin Felizitas Romeiß-Stracke hat sich intensiv mit dem Thema „TourismusArchitektur“ auseinander gesetzt und jetzt einen Sammelband mit Aufsätzen zu dem ebenso spannenden wie aktuellen Thema herausgebracht.
Grundsätzlich wird darin moderne zeitgenössische Architektur als Marketingfaktor und Visitenkarte begrüßt. Sie spiegle den Zeitgeist wider, profiliere und überrasche. Spektakuläre Bauten einer kleinen Gilde von Star-Architekten könnten neue Destinationen auf die touristische Weltkarte katapultieren. Dubai steht dafür, Bilbao und jetzt auch Abu Dhabi mit den Kunsthäusern von Gehry, Jean Nouvel, Zaha Hadid und anderen. Zeitgenössisch, neu, anders ist auch der Anspruch der Design Hotels, wobei die ästhetischen Ansprüchen der Architekten und die Bedürfnissen der Gäste hin und wieder im Widerspruch stehen.
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Wünsche der Gäste gewandelt, auch was die Architektur der Ferienquartiere anlangt. In den Zwanziger Jahren waren laut Hasso Spode und Kristiane Klemm „Entortung und Entzeitlichung“ gefragt, „tabula rasa“ ganz im Sinn von Le Corbusier, der sogar Paris abreißen lassen wollte, um die Stadt mit Hochhäusern zu bebauen. In der NS-Zeit sollte die Urlauberwelt dann Abbild der Volksgemeinschaft sein. Eigene KdF (Kraft- durch-Freude)–Anlagen entstanden, Massenbäder wie das „Bad der 20 000“ auf Rügen, Prora. Und im Nachkriegs-Europa dominierte dann vor allem preiswertes Bauen, funktionale Betongebäude in der „Formensprache eines Gewerbegebiets“. Urlaubsfestungen wie Damp 2000 oder die Wohnpyramide von La Grande Motte waren zwar zu ihrer Zeit auch eine Art Architektur-Ikone. Doch die Unterbringung von Menschenmassen in „Schubladenkästen“ stieß zunehmend auf Kritik.
Schon längst geht der Trend weg von seelenlosen Betonsilos und schmuckloser Gleichförmigkeit, die Verhaltensforscher Reinhard Schober als „Depressionsarchitektur“ geißelt, hin zu mehr Romantik, zu inszenierten Erlebnissen für alle Sinne. Bayern Tourismus Marketing hat dafür eine eigene Marke kreiert, die Sightsleeping Hotels ®, Übernachten für Augenmenschen in außergewöhnlich schöner Szenerie. In der Schweiz reüssieren die „Historischen Hotels“ als eigene Gruppe. Authentizität ist gefragt, oder zumindest der Eindruck von Echtheit. Auch der Nachbau romantischer Träume wie im Almdorf Seinerzeit in Kärnten kann die Sehnsucht nach mehr Seele befriedigen.
Themenwelten, Themenhotels und Themenrestaurants nehmen den Trend auf. Weil gewachsene Städte unter Gestaltungsdefiziten leiden und sich das Auge an architektonischen Brüchen stört, entstehen ganze Touristenstädte in einheitlicher Architektur, mal mediterran, mal exotisch. Noch weiter gehen die Amerikaner, die für Besserverdienende und Best Ager Themenstädte im Angebot haben: Celebration in Florida, ein Disney-Projekt, und das kalifornische The Village nach Motiven des Malers Thomas Kinkade.
Architektur schafft durch Inszenierungen eine eigene Wirklichkeit. Diese Hyperrealität zeichnet besonders die Marken-Welten aus, für Wolfgang Isenberg, Direktor der Thomas-Morus-Akademie, bedeuten sie eine „Wiederverzauberung der entzauberten Welt“. Ob Autostadt Wolfsburg, BMW Welt, Ravensburger Spieleland, Swarovski Kristallwelten oder Legoland in Günzburg – allen gemein ist die Emotionalisierung auch der Dienstleistungen, der Rundum-Erlebniswert. Im Club wird dann der ganze Urlaub vollends zur Inszenierung. Wohlbefinden in einer perfekten Kulisse.
Daran könnte sich nach Meinung von Albrecht Steineke der Städtetourismus orientieren und ein „Gesamterlebnis Stadt“ inszenieren, wobei historische Altstadt und spektakuläre neue Architektur einander nicht ausschließen. Festivals, Kultursommer, Weihnachtsmärkte, Jubiläen könnten die Innenstadt zur Bühne machen und „emotional aufladen“. Das wäre der Gegenentwurf zur musealen Altstadt, die Felizitas Romeiß-Stracke als Schreckensbild infolge der Globalisierung an die Wand malt. Der Vereinheitlichung der Fußgängerzonen durch Filialen großer Ketten wir Starbucks, Mac Donald oder H & M folgt die Ausblutung der Innenstädte durch Großmärkte auf der grünen Wiese bis nur noch eine „schöne Hülle“ übrig bleibt, die mit Einnahmen aus dem Tourismus finanziert werden müsse, befürchtet die Freizeitforscherin. Die Altstadt mutiere zur historischen Kulisse mit Souvenirshops, Antiquitätenläden, Galerien und Gastronomie – zu beobachten im französischen Carcassonne oder auf dem Mont St. Michel. Allerdings registriert auch Romeiß-Stracke einen Trend zurück zur Stadt, der nicht zuletzt den steigenden Benzinpreisen geschuldet ist.
Womöglich könnten Zweitwohnungsbesitzer, teilhaben an einer Wiederbelebung alter Baustrukturen. Die Sehnsucht nach einer zweiten Heimat schafft nach Romeiß-Stracke neue Perspektiven für „entleerte Orte“. Viele der „Zweiheimischen“ wollten sich nicht nur integrieren, sondern kämpften zusammen mit den Einheimischen für mehr Lebensqualität und schöneres Wohnen.
TourismusArchitektur zwischen Authentizität, romantischer Inszenierung und Mut zum Spektakulären. In unserem globalisierten Welt, so das Fazit des Buches, gibt es keine Patentlösung aber viele unterschiedliche Rezepte.
Info: Felizitas Romeiss-Stracke (Hrsg.): TourismusArchitektur –Baukultur als Erfolgsfaktor, Erich Schmidt Verlag, 242 S., 49,95 Euro, ISBN-13: 978-3503106073