Hans Engberding: Wir wollen auf unserem Gebiet so gut sein wie kein anderer

Reisen wird global. Die Deutschen müssen sich  von der Vorstellung verabschieden, der Nabel der Welt zu sein. Russen, Chinesen und Inder drängen auf den Reisemarkt und verändern ihn mit ihren Vorstellungen. Reisen wird auch schwieriger: Der explodierende Ölpreis verteuert das Fliegen. Auf der anderen Seite vermehren sich die Autos in den Schwellenländern und verstopfen die Zufahrtsstraßen. Unter diesen Umständen hat Bahnfahren einen ganz neuen Charme. Einer, der das offenbar schon lange ahnte, ist Hans Engberding, Gründer von Lernidee-Erlebnisreisen und VDRJ-Preisträger 2003. Wir sprachen mit dem Vater der Transsib-Sonderzüge in Moskau.

Frage: Sie haben 1986 begonnen und damals die Reise auf die Schiene gesetzt. Umweltfreundlich sozusagen. Zu einer Zeit, als Beinreisen eher auf dem Tiefpunkt waren. Woher nahmen Sie den Mut?
Engberding: Das kam daher, dass ich Russischlehrer war in Westberlin, Russland mochte und überzeugt war, dass die Transsibirische Eisenbahn immer Anhänger finden wird. Dann kam allerdings Tschernobyl und damit ein großes Loch. Aber im Lauf der Jahre ging’s bergauf. Meine Kollegen schickten ihre Schüler und allmählich wurden wir zur Nummer 1 für die Sonderzüge der Transsibirischen Eisenbahn. Die Leute merkten schnell, dass eine Regelzugreise ohne Arzt, ohne die Zischenstopps, ohne besonderen Service genauso teuer ist. Deshalb haben wir alles aufgesogen. Schon im vorigen Jahrhundert hatten wir auch ADAC-Reisen an Bord.

Frage:
Was hat sich seit den Anfängen verändert?
Engeberding: Eigentlich alles. Die Kundschaft, die Preise, das Reiseland.   Vor zwölf Jahren sind 90 Prozent der Gäste im Vierbett-Abteil gereist. Heute fahren 98 Prozent im Zweibett-Abteil. Dafür waren die Reisen auch viel billiger und im Winter ein Schnäppchen. Im Land selbst läuft statt staatlich vieles privat, so dass wir Qualität und Zuverlässigkeit nach unseren Wünschen kriegen. Das macht sich vor allem im Speisewagen bemerkbar. Früher waren die Vorräte im Zug innerhalb von zwei Tagen ausverkauft, weil die Angestellten ihren eigenen Reibach machten. Die Bahn untersteht  wie früher der Militärverwaltung und die Gäste loben die überragende Pünktlichkeit. Die gab’s früher auch schon, aber keinerlei Duschen oder gute Toiletten an Bord eines Zuges. Geändert hat sich auch die Wahrnehmung von Russland bei den Gästen. Vor 20 Jahren galt es noch als Imperium des Bösen. Heute wird das Land nicht mehr als Feind empfunden.

Frage: Was fasziniert Sie eigentlich an Bahnreisen?
Engberding: Für mich ist das echtes Reisen im Gegensatz zum Fliegen, das ich als reines Transportiertwerden empfinde. Ein Liebhaberprodukt halt. Wir profitieren davon, dass die russische Bahn im eigenen Land einen ganz schlechten Ruf hat. Die Russen kennen die Qualität ihres Produktes nicht, das mit 10 000 Kilometern Länge immerhin einen Weltrekord aufstellt. Glücklicherweise. So können wir ein anspruchsvolles Programm für unsere Gäste bieten mit kleinen Events, Vorträgen und anderen Überraschungen.

Frage: Die Kerosin-Preise steigen. Viele Airlines schränken ihre Flüge ein oder streichen ganze Strecken. Wo sehen Sie die Zukunft des Reisens?
Engeberding: Auf jeden Fall nicht im Emissionshandel. Ein bestimmter Prozentsatz wird immer reisen, auch wenn es teurer wird. Die Leute werden weniger unterwegs sein, aber auf besserem Niveau. Wir sind Spezialisten auf unserem Gebiet und sehen in der Nische ganz klar die Zukunft.

Frage:
Also keine Zukunft für die Geiz-ist-geil-Mentalität?
Engberding: Nicht bei uns. Unsere Branche hat zu lange auf billig gemacht. Das niedrige Preisniveau lässt sich auf die Dauer nicht halten, vor allem, weil die Ansprüche der Kunden ständig steigen.

Frage: Sie vermeiden das Wort Luxus bei Ihren Reisen, obwohl doch die „sanfte Polsterung“ Luxus pur ist und Luxusreisen im Trend liegen. Warum?
Engberding: Ich will diese Angeber-Kunden nicht. Selbst beim Rovos-Train in Südafrika, einem echten Luxusprodukt, will ich im Katalog das Wort nicht sehen. Wir haben den ganzen Zug gechartert, damit die Gäste ohne Dinner-Jackett und Abendkleid unterwegs sein können. Denn wir mögen keine Kundschaft, die ihren Reichtum zur Schau trägt und mit ihrer Reise-Erfahrung protzt. Lieber bedienen wir die Nische der bescheiden Auftretenden, die genauso viel Geld haben. Schließlich möchte ich auch weiterhin mit meinen Gästen verreisen können.

Frage: Das sind Sie 30 Mal im Jahr. Dann testen Sie selbst die eigenen Reise-Ideen, sozusagen als mystery traveller. Wozu soll das gut sein?
Engberding: Dazu, dass ich mein Produkt kenne und verändern kann. Der Bäcker isst ja hoffentlich auch seine eigenen Semmeln. Alle Partner vor Ort ahnen, dass ich dabei sein könnte, aber sie wissen es eben nicht. Ich buche mein Produkt vorab und zahle im Hotel auch selbst. Dafür wende ich vielleicht 5000 Euro mehr auf und spare 500 000 Euro für die Qualitätssicherung. Nach Fehlern, die mir auffallen – und das passiert auf jeder Reise – gibt’s eine Checkliste. Auch kleine Betrügereien kommen so auf, beispielsweise, wenn das Personal den Wein zum eigenen Profit verkauft. Ich will dafür sorgen, dass der Kunde nach drei Tagen den Katalog weglegt, weil er weiß, dass er mehr bekommt als er nach der Ausschreibung erwartet. Die kleinen Überraschungen machen Freude und Freunde.

Frage: Sie haben inzwischen Schiffe auf dem Mekong, schicken in Südafrika den Rovos Train auf Schienenkreuzfahrt und planen in Russland eine der weltweit längsten Fluss-Kreuzfahrten. Wo ist das Ende der Fahnenstange?
Engberding: Das Ende ist da, wo wir die Qualität nicht mehr aufrechterhalten können. Ich habe nie gesagt: Macht mehr Umsatz, sondern: Haltet den Ertrag. Und das Geschäft wächst und wächst, jährlich um 20 Prozent. In diesem Jahr sind Ecuador neu und ein weiteres Mekong-Schiff. Ich denke auch an den Desert Train in Namibia und an den Tangula-Luxury  Train in China. Auch wenn da Luxus draufsteht: als Schienen-Veranstalter können wir auf diesen Zug nicht verzichten und Tibet ist für Reisende mehr noch als die Transsib ein Geheimnis, ein Traum. Dann gibt es in Spanien mit  Trans-Iberia einen schönen Zug, der noch nicht gefahren ist. Wir bedienen den deutschen Markt mit Programmideen. Davon leb’ ich, das ist meine Stärke.

Frage: Auch im sozialen Engagement gelten Sie als vorbildlich in der Reisebranche.   Was macht Ihrer Meinung nach verantwortungsvolles Reisen aus?
Engberding: Für den Veranstalter sollte selbstverständlich sein, dass er seine Partner fair und pünktlich bezahlt und nicht erst neun Monate nach Rückkehr der Gäste, wie es bei manchen Unternehmen in Südostasien üblich ist. Auch ein Tourismus nach Birma würde den Menschen dort helfen. Bei der Zerschlagung der Sowjetunion hat die Reisefreiheit schließlich auch eine wichtige Rolle gespielt. Bei Ökologie-Projekten mischen viele mit, auch Waisenhäuser werden gerne unterstützt. Das ist gut so. Das tun wir auch und unsere Gäste sind ebenfalls großzügig. Ich denke aber auch, dass dabei die wachsende Armut in unserem Land übersehen wird. In Berlin etwa haben viele Schüler nicht einmal die Möglichkeit, an einer Klassenfahrt teilzunehmen. Deshalb habe ich einer Schule 6000 Euro überwiesen, mit denen Klassenfahrten für ein Jahr sichergestellt werden können.

Frage: Sie waren schon in aller Welt unterwegs. Gibt es für Sie noch eine Traumreise?
Engberding: Ich möchte einmal Grönland mit dem Postschiff machen oder auf dem Ob unter Mark-Twain-Bedingungen unterwegs sein. Ja und dann könnte ich mir eine ganz besondere Lernidee-Reise vorstellen – mit dem Charterflugzeug durch die Mongolei. Aber das ist bei den derzeitigen Kerosin-Preisen wohl Utopie.              

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