Nur drei von 31 EM-Spielen werden in Zürich stattfinden. Aber immerhin ein entscheidenden: Italien gegen Frankreich. Dafür haben die Züricher ein 75 Millionen Euro teures Stadion hingestellt, teilweise in den Boden versenkt mit 30 000 Plätzen. Und sie haben ihr Herz fürs Public Viewing geöffnet, das genau dort stattfindet, wo der See auf die Stadt trifft. Die 360 000-Einwohner-Stadt rüstet sich für ein Fußballfest der Superlative.
Zürich ist längst eine offene Stadt, eine Stadt der jungen Leute, die mit ihrer toleranten Drogenpolitik Schlagzeilen gemacht hat. Und die Züricher haben ihre Street Parade nicht so schnöde abserviert wie die Berliner die Love Parade. Am 9. August tobt die größte Technoparty der Welt wieder mitten in der Stadt. Rund eine Million Tänzer werden die „Love Mobiles” auf ihrem Weg durchs untere Seebecken begleiten.
Zürich und der Zürichsee – sie gehören zusammen. In welcher Stadt kann man sonst so locker baden gehen? 18 See-, Fluss- und Freibäder machen Zürich zur Sommerstadt. Das Strandbad Tiefenbrunnen etwa mit dem 80 Meter langen Sandstrand, das Flussbad Unterer Letten, das auf dem Wasser der Limmat schwimmt oder „die „Frauenbadi”, in der erst abends – wenn die Barfußbar öffnet – auch Männer willkommen sind. Da stehen sie dann mit einem Glas in der Hand, die erfolgreichen Broker und Manager, mit Jackett und Kravatte aber ohne Schuhe. Auch untertags kann man an sonnigen Tagen in den Büros Merkwürdiges beobachten: Nirgendwo sonst, versichert ein Züricher ernsthaft, trockneten so viele nasse Badehosen über den Heizungen wie in Zürich. Bei solchen Aussichten werden wohl auch die Fußballfans baden gehen.
Und wer sagt, dass die EM-Besucher in ihrer Fanmeile bleiben müssen? Zürich, 2007 zum sechsten Mal hintereinander zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt, ist viel zu schön, um es links liegen zu lassen. Ein paar Tipps für einen Stadtbummel:
Ganz romantisch ist die Schipfe, einst Warenumschlagplatz, heute ein lauschiges Plätzchen mit mittelalterlichen Häusern an der Limmat. Ganz nahe am Platz, wo im 16. Jahrhundert die Täufer im Fluss ertränkt wurden, steht die Stadtküche, heute „Schipfe 16” – ein ganz besonderes Restaurant, in dem es nur mittags zu essen gibt. Die Arbeit besorgen Langzeitarbeitslose, nicht immer perfekt aber mit viel Engagement.
Wenn die Sonne vom Himmel knallt, sind die schattigen Plätze unter den mächtigen Bäumen im Lindenhof begehrt. Seit dem 13. Jahrhundert wurde dieser historische Boden, auf dem Zürich 15 v. Chr. gegründet wurde, nicht mehr bebaut. Schön ist auf alle Fälle der Blick auf die Limmat und das Niederdorf auf der anderen Seite. Auch die Universität ist von hier aus zu sehen. 175 Jahre wird sie in diesem Jahr und sie war die erste, die sich Frauen öffnete – nicht den Schweizerinnen allerdings, denn die durften damals nicht einmal Abitur machen. Oder St. Peter Hofstadt, dominiert von der Kirche St. Peter. Auffallend die Uhr mit einem der größten Zifferblätter Europas und vergoldeten Zeigern. Im Dach des Turmes wohnte früher die Feuerwächter. Offensichtlich erfüllten sie ihre Aufgabe gewissenhaft, denn Zürich ist nie abgebrannt.
Der Platz hat auch dem viel reisenden Geheimrat Goethe gefallen. In der Weinstube zur großen Reblaube – heute eines der besten Restaurants – hat der Genießer gerne gesessen. Das Goethe-Stübli mit einem Porträt des Dichterfürsten erinnert an seine Besuche.
Angenehm kühl ist es an heißen Tagen in der Frauenmünsterkirche, auch wenn das Gedränge groß ist. Alle wollen die farbenprächtigen Glasfenster Marc Chagalls sehen, die seit 1970 den Chor zu einem Muss für alle Kunstliebhaber machen. Wo der Legende nach Karl der Große die erste Züricher Kirche errichtet hat, steht heute das Großmünster. Und in der Krypta ist die Statue des Kaisers von 1450 zu sehen, eine Kopie. Wer den schweißtreibenden Aufstieg auf den Turm nicht scheut, hat von oben einen fantastischen Blick auf die Stadt, den See und die Berge.
Ganz klein sind die Geschäfte und Restaurants vom Niederdorf. Da wo sich eine Kneipe an die andere reiht, gehen die Züricher „in den Ausgang” in Kinos, Bars, Esslokale. Kaffeeduft dringt aus den herrlich altmodischen Colonialwaren Schwarzenbach und im biedermeierlichen Café Schober wird echte Schokolade in der Tasse serviert. Im ehemaligen Exilantencafé Odeon, wo Lenin gern in seiner Zeitung blätterte und in dem sich heute abends die Homo-Szene trifft, sind die Sitzplätze mit Aussicht rar. Zumindest einmal sollte man sich in der Kronenhalle eine Bratwurst gönnen. Hier, wo man sieht und gesehen wird, sind die Preise hoch. Aber dafür hat man unentgeldlich Originalgemälde von Kandinsky, Braque, Monet und anderen Künstlern im Blick, die nicht selten ihre Schulden mit Bildern abbezahlt haben.
Richtig hip ist Zürich im Industriequartier Zürich-West. Wo sich lange Zeit zwischen ödem Niemandsland und Industriebrache kaum Menschen verirrten, schwirren heute die Nachtfalter von einer Bar zum nächsten Restaurant. Boutiquen und Cafés machen sich breit und in den Lokalen herrscht Multikulti. Vorsicht, hier dauert die Nacht bis zum frühen Morgen und wer zum entscheidenden Spiel fit sein will, sollte die Gegend meiden.
Info: Für Fans mit kleinem Geldbeutel gibt es im Fancamp die Übernachtung mit Frühstück im Zelt für 28 Euro, inkl. Nahverkehrsticket. Zudem laden Züricher Familien in ihre Wohnungen ein. Das Public Viewing auf der Tribüne in der Fanzone kostet 10 Euro inkl. ein 24-Stunden-Ticket für die Region Zürich. Infos unter www.zuerich.com/euro2008 und www.zuerich.ch/euro2008