Irland, die grüne Insel, die Insel der Dichter und Sänger, der fröhlichen Trinker. So sehen die meisten Touristen immer noch ihr Urlaubsziel und übersehen dabei, dass sich auch Irland geändert hat. In der Immobilienblase wurden viele Iren gierig. So wie die Dörfler in Donal Ryans bemerkenswertem Debüt „Die Sache mit dem Dezember“.
Der 40-jährige ehemalige Staatsbeamte zeigt am Beispiel eines Kaffs in der irischen Provinz, wie die Gier nach Geld selbst rechtschaffene Menschen verändert. Nicht, dass diese Welt vor den Immobilienhaien heil gewesen wäre. Oh nein, der kleine Johnsey kann ein Lied davon singen, wie die hirnlosen Schläger des Ortes ihn traktierten, weil er schwach war und sich nie beklagt hat. Das war eben seine Rolle. Der ewige Verlierer. Eben noch erträglich, solange seine Eltern lebten und ihn beschützten. Doch nach deren Tod muss Johnsey allein mit seinem Leben zurechtkommen – und mit den Schlägern. Als sein Land zum Zentrum eines Bauprojektes wird, von dem sich die Gemeinde eine Menge Geld verspricht, wird alles noch schlimmer. Niemand will verstehen, warum der Junge nicht verkaufen will. Doch für Johnsey ist der Hof sein Schutzgebiet, das, was ihm von seinen Eltern geblieben ist. Seine Sturheit macht ihn zum Hassobjekt der Dörfler, zur Zielscheibe der Medien. Der Schwache wird ob seiner Hartherzigkeit angeklagt, die Fronten verkehren sich ins Gegenteil. Und gerade als Johnsey so etwas wie Freunde gefunden hat, nimmt die Katstrophe ihren Lauf. Denn in seiner Hilflosigkeit ist der junge Mann unfähig, Hilfe anzunehmen.
Ryan schreibt aus der Sicht Johnseys, gibt dem Schwachen eine Stimme – und so etwas wie Würde: „Wenn man allein ist, kann man sich nicht vor anderen blamieren. Man kann vor niemandem wie ein Idiot klingen.“ Johnseys gutmütige Naivität macht die Lektüre allerdings hin und wieder schwer erträglich. Man möchte den Kerl endlich wach rütteln, ihm die Augen öffnen für die Realität, ihn herausholen aus seinem Kokon und nicht sehenden Auges zuschauen, wie alles zusammenbricht.
Er kenne viele Johnseys hat Donal Ryan im Gespräch mit seiner Lektorin gesagt. Überbehütete Kinder, die am Leben scheitern. Auch deshalb, weil die Familienverbände ebenso zerfallen wie die dörflichen Strukturen. „Die Sache mit dem Dezember“ führt das Versagen unserer Gesellschaft beispielhaft vor Augen.
Info: Donal Ryan, Die Sache mit dem Dezember, Diogenes, 262 S., 19,90 Euro
17Mrz. 2015