(Buch)
Autor: Ilija Trojanow
Verlag: Hanser Erschienen am: 2008-02 Seiten: 200 ISBN: 3446230300 |
Mit dem Roman „Der Weltensammler“ ist Ilija Trojanow berühmt geworden. Jetzt legt der Weltenbürger nach, einen Sammelband mit Reportagen von 1981 bis heute. Der Titel „Der entfesselte Globus“ zeigt, wohin die Reise geht: Um die Welt.
Schlaglichtartig zeigt Trojanow auf, wie die Menschen mit dem Globus umspringen, was Kolonisierung früher und Globalisierung heute anrichten. Es sind sehr subjektive Eindrücke, die der Autor niedergeschrieben hat, mal reichlich verquast, dann wieder analytisch brillant, immer aber unabhängig vom Meinungsbild der Allgemeinheit. Trojanow lässt sich nicht vereinnahmen, er nimmt kein Blatt vor dem Mund, wenn er Anlass zu Kritik sieht und er lässt sich keine Potemkinschen Dörfer vorsetzen, wie Indien sie für einen Clinton-Besuch errichtet hat. „Willkommen in Clintonnagar“ zählt zu den bissigsten und besten Reportagen:
"Der normale Besucher der Megastadt Bombay erhält schon auf der Fahrt vom Flughafen in sein Hotel eine derbe Einführung in die Realitäten. Wegen der Hitze kurbelt er das Seitenfenster gleich herunter, wegen des Koakengestanks kurbelt er es spätestens in Bandra wieder hoch. Wenn er sich von dem Slum zu seinerLinken, abwendet, stolpert sein Blick über Arbeiter, die sich über dem Straßengraben erleichtern. Derweil fällt das Taxi in ein großes Schlagloch, der Besucher schlägt sich den Kopf an und starrt mit brummendem Schädel auf einen verunsttalteten Mann, dessen Fratze um Almosen fleht. Manchem Besucher ist nach dieser Fahrt die Lust auf Bombay schon vergangen…"
Trojanow beschönigt nichts, auch wenn klar ist, auf wessen Seite er steht. Er muss nicht von schönen und tapferen Underdogs schreiben, um Ungerechtigkeiten aufzuzeigen. Er muss nur beobachten und schreiben, was er sieht. Und das tut er, ob er in Afrika über die Jagd auf wilde Tiere und Menschen, in Indien über Götter und Terroropfer, in Bali über das (schein)heilige Paradiese oder in Bulgarien über die Heuchelei der Politik schreibt. Die Ordnung in diesem Buch wirkt eher willkürlich. Aber dass Bulgarien, Trojanows Geburtsland, am Schluss kommt, hat wohl damit zu tun, dass der Autor erst die Welt bereisen musste, um sich mit den Verhältnissen in seinem Vaterland auseinandersetzen zu können.
Ilija Trojanow: Der entfesselte Globus, Hanser, 195 Seiten, 17,90 Euro