Es sieht so aus als habe die Reisebranche die Zeit überwunden, in der billig gleich gut war. Auf der Stuttgarter Reisemesse CMT, die als Trendbarometer der Branche gilt, verkündete Dr. Martin Lohmann von der
Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R.) das Ende der „Geiz-ist-geil-Mentalität“ bei Reisen. Und die Zahlen sprechen für sich. Gerade teure Reisen und Reisen in die Ferne liegen im Trend. Die Reiseanalyse 2007 etwa zeigt, dass sich der Anteil von Urlaubsreisen, bei denen pro Person über 3000 Euro ausgegeben wurden,
in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Gute Nachrichten also für die Branche, die in den letzten Jahren mehr Tiefen als Höhen erlebt hat.
Da spielt es auch keine Rolle, dass die teuren Reisen über 3000 Euro gerade mal von einem auf drei Prozent anwuchsen. Denn immerhin ging der Anteil von Billigreisen unter 500 Euro von 35 auf 28 Prozent
zurück. Und die Deutschen sind – Klimawandel hin oder her – ungebrochen reiselustig. Das Statistische Bundesamt vermeldet, dass bis Ende Oktober 2007 79,9 Millionen Passagiere von deutschen Flughäfen abflogen, 4,4 Millionen oder 5,9 Prozent mehr als zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Das stärkste Wachstum verbuchten die Auslandsreisen. Und das wird wohl so bleiben. In ihrer Reiseverkehrsbilanz prognostiziert die Dresdner Bank, dass die Ausgaben der Bundesbürger für Auslandsreisen 2008 um vier Prozent auf 63,5 Milliarden Euro wachsen. Nach den neuesten Erhebungen der F.U.R. zu den Reiseplänen 2008 haben 79 Prozent der Landsleute schon über Urlaubsreisen nachgedacht. Immerhin 35 Prozent wollen „mit Sicherheit verreisen“, im Vorjahr waren es noch 28 Prozent – eine deutliche Steigerung der Urlaubslust also.
Weltweit war 2007 schon ein erfolgreiches Tourismusjahr. So stieg die Zahl internationaler Ankünfte laut der Welttourismusorganisation weltweit und allein in Europa um vier Prozent. Die UNWTO rechnet für 2007 mit über 880 Millionen Ankünften und erwartet, dass sich der Trend in diesem Jahr fortsetzt. Für die Tourismusindustrie bedeutet das mehr Gäste, mehr Umsatz und höhere Erträge. In Deutschland allerdings sorgen, so Lohmann, Strukturverschiebungen für neue Herausforderungen. Dazu zählt das wachsende Segment der älteren Gäste ebenso wie die immer wichtiger werdende Informationsquelle Internet.
Die Reiseziele dagegen bleiben sich eher gleich, Veränderungen gibt es nur in Nischen. So bleibt Deutschland unangefochten mit 32 Prozent Reiseland Nummer 1. Es folgen Spanien, Italien, die Türkei und Österreich, wobei vor allem Italien bei den jüngeren Reisenden verliert und bei den älteren zulegt. Für Lohmann eine Chance, die
Angebote innovativ an die Kunden anzupassen. Groß ist das Interesse an Fernreisen, vor allem nach Australien und Asien. Doch dieses Interesse, relativiert der Tourismusexperte, werde nicht automatisch in Reisen umgesetzt.
Da könnte auch noch der Klimawandel eine Rolle spielen. Denn Klima schonende Verhaltensweisen stoßen bei vielen Touristen auf positive Resonanz. Dass sich das Reiseverhalten deswegen ändert, glaubt Lohmann allerdings nicht. Die Deutschen wollen vor allem ihren Alltag umweltfreundlich gestalten. Im Urlaub sind sie weniger zu Verzicht bereit. Am ehesten (39 Prozent) könnten sie sich vorstellen, ein Ziel in der Nähe zu wählen, um die Anfahrtsstrecke zu reduzieren. Es folgen „weniger Fernreisen“ (28 Prozent), „statt mehrerer kürzerer
Reisen eine längere machen“ (27 Prozent), „mit der Bahn in den Urlaub fahren anstatt mit dem Auto oder dem Flugzeug“ (26 Prozent) und mit 21 Prozent die „freiwillige Abgabe bei Flugreisen“. Gerade mal 13 Prozent könnten sich vorstellen, in Zeiten des Klimawandels weniger Urlaubsreisen zu machen. Dennoch sieht Lohmann die Branche gefordert, pfiffige Produkte zu entwickeln, die der Klima-Problematik Rechnung tragen.
Rad- und Wanderreisen tun das schon lange und laut Radreiseanalyse 2007 stellt der Radtourismus „einen enormen Wirtschaftsfaktor“ dar, werden doch für eine Radreise durchschnittlich 1169 Euro ausgegeben. 2,2 Millionen Deutsche planen der Analyse zufolge in den nächsten drei Jahren „ziemlich sicher“ einen Radurlaub. Dabei radeln sie am liebsten in den heimischen Gefilden. Zu den beliebtesten inländischen Radfernwegen gehören Elbe-, Donau- und Weser-Radweg, gefolgt von Routen an Altmühl und Main. Der österreichische Teil des Donauradwegs ist mit Abstand beliebtester Radfernweg im Ausland.
Auch Busreisen positionieren sich immer mehr als umweltfreundlich. Laut einer Untersuchung im Magazin Focus stößt ein Reisebus pro Kilometer 32 Gramm CO² aus, bei der Bahn seien es 52 Gramm und beim Auto 144 Gramm. Am Klima schädlichsten ist nach der Studie der Luftverkehr mit einem Ausstoß von 329 Gramm CO². Jährlich werden in Deutschland 9,4 Millionen Urlaubsreisen mit dem Bus unternommen, das sind 120 Millionen Gäste. Dabei sind Städtereisen der Dauerbrenner, aber auch Reisen zu kulturellen oder sportlichen Events werden gern mit dem Bus unternommen. Ein neuer Trend sind kombinierte Bus- und Schiffs- oder Bus- und Radreisen.
Die Nähe zur Natur macht für viele Deutsche einen Caravaning-Urlaub attraktiv. Laut einer Studie des ADAC interessieren sich 17 Prozent in den nächsten drei Jahren für diese Urlaubsart, ein Potenzial von 11,1 Millionen im Vergleich zu 10,1 Millionen im Vorjahr.
Und das sind die Trends 2008:
+ Wachsende Ansprüche der erfahrenen Reisenden
+ Steigende Ausgaben für Reisen
+ Mehr Flexibilität, mehr Bausteinreisen
+ Deutschland bleibt Reiseland Nr. 1: Die Reisen verteilten sich folgendermaßen: 1/3 Deutschland, 1/3 Mittelmeer, 1/3 „Rest der Welt“
+ Immer mehr spezifische Angebote
+ Deutliche Zuwächse bei Kreuzfahrten
+ Höhere Nachfrage bei Fernreisen
+ Behutsamer Anstieg bei Reisen in osteuropäische Länder
+ Wachsende Bedeutung des Internets sowohl als Informationsquelle als auch als Buchungsmöglichkeit.