Martin Suter: Der letzte Weynfeldt

Der letzte Weynfeldt
(Buch)
Autor: Martin Suter
Verlag: Diogenes
Erschienen am: 2008-02
Seiten: 272
ISBN: 3257066309

Vielleicht muss es ja so sein, dass einer, dem schon immer alles in den Schoß gefallen ist, so naiv ist. Dass er sich ausnehmen lässt wie die sprichwörtliche Weihnachtsgans von Leuten, die sich als seine Freunde bezeichnen und die ihn doch nur als big spender schätzen. Dass er auf eine Frau hereinfällt, die den „Siegelringträger“ als großzügigen Gentleman erkennt, der auf Anstand hält und einer in Not geratenen Dame aus der Patsche hilft, wenn er kann. Adrian Weynfeldt, der letzte Weynfeldt, ist ein Einzelgänger, ein Mensch, der gut mit sich allein sein kann aber auch jemand, der gerne mit Freunden plaudert – auch wenn er dafür die Zeche zahlen muss.

Weynfeldt ahnt, dass ihn die anderen beneiden. Um das Geld, das er nicht umdrehen muss. Um die Sicherheit, den Luxus, das Selbstbewusstsein. Und er weiß, dass sie es hassen, ihm dankbar sein zu müssen. Deshalb nimmt er sich zurück, tut so, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, dass er ein totgeborenes Filmprojekt finanziert oder die Weltreise eines mittelmäßigen Malers. Trotzdem mögen sie ihn nicht so richtig, die jungen Freunde. Er ist keiner von ihnen. Zu generös, zu weltläufig, zu korrekt. 
Und doch: Der Kunstexperte, Mitte Fünfzig, ist zufrieden mit sich und seinem Leben. Einem Leben, das so wohlgeordnet ist wie die Pyjamas in seinem Schrank und das so auf ihn zugeschnitten ist wie die Maßanzüge, die er sich schon aus Gewohnheit jeweils im Sommer und im Winter von seinem Lieblingsschneider anfertigen lässt. Adrian Weynfeldt mag die Regelmäßigkeit, mit der er seine Freunde trifft. Die alten, die er noch von seinen Eltern geerbt hat. Und die jungen, die sich um den spendablen Großbürger scharen wie die Motten um das Licht. Er mag die immergleichen Rituale im Büro und bei sich zu Hause. Er mag die unauffällige Aufmerksamkeit, die ihm die Haushälterin angedeihen lässt und die Effektivität seiner Assistentin. Eine Frau hat in diesem Leben keinen Platz. Erst recht keine wie Lorena.
 Aber dann bekommt die großbürgerliche Fassade plötzlich Risse, dann erkennt Adrian plötzlich, dass sein überkorrektes Leben leer ist, ohne Tiefpunkte zwar aber auch ohne Höhen. Er verfällt der geheimnisvollen Fremden, die er schnell als kleine Gaunerin durchschaut. Nur um festzustellen, dass auch sie ihn ausnutzt wie seine angeblichen Freunde. Das Leben ist eben doch kein Kleiderschrank mit ordentlichen Fächern. Es hat noch einige Überraschungen auf Lager. Die größte davon ist Adrian selbst. Der letzte Weynfeldt wird zum Spieler.
Für seinen neuen Roman, der sich wie viele bei Suter um Schein und Sein dreht, hat sich der Schweizer Erfolgsautor auf dem Kunstmarkt umgesehen. Und eine wichtige, wenn nicht gar die Hauptrolle spielt wohl nicht ganz zufällig ein Gemälde des Schweizer Malers Felix Vallotton, der Ende des 19. Jahrhunderts mit indiskreten Frauenporträts Aufsehen erregte. Im Kunsthaus Zürich schloss am 13. Januar die Ausstellung „Felix Vallotton – Idylle am Abgrund“. Und „La Salamandre“, die Frau am Kamin, die letztlich Weynfeldts Leben ins Wanken brachte? Das Gemälde ist immer noch in Privatbesitz.  
Info: Martin Suter, Der letzte Weynfeldt, Diogenes, 313 S., 19,90 Euro

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