Autoren: Michael Schneider, Felix von Manteuffel, Burghart Klaußner
Verlag: Dhv der Hörverlag Erschienen: April 2007 |
Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch – oder doch nicht? Schon seit ein paar Jahren kann man Romane auch hören. Hörbücher, so verlautete von der Leipziger Buchmesse, erleben derzeit einen Boom. Kein Wunder also, dass immer mehr Romane gleichzeitig als Buch und als Hörbuch auf den Markt kommen. Dabei ist es gar nicht so einfach, aus einem Buch ein Hörbuch zu machen – wenn man das Hörbuch als eigene Kunstform sieht und nicht einfach einen Schauspieler den Roman ohne Abstriche vorlesen lässt. Michael Schneiders historischer Schelmenroman „Das Geheimnis des Cagliostro“ (als 700-seitiger Roman bei Kiepenheuer & Witsch) wurde beispielsweise vom Hörverlag als inszenierte Lesung mit Musik auf sechs CD gepresst. 481 Minuten spannendes Kino im Kopf – das ging nicht ganz ohne Abstriche ab.
Multitalent Michael Schneider, Philosoph, Journalist, Autor, Lektor, Mitglied im PEN-Zentrum und im Akademischen Beirat von Attac, Schauspieldramaturg und Professor an der Filmakademie Ludwigsburg wusste, worauf er sich einließ, als er zustimmte, seinen Roman in ein Hörbuch umzuwandeln. „Jedenfalls war es keine Zauberei“, verrät das Mitglied des Magischen Zirkels. Der Autor musste schmerzhafte Einschnitte hinnehmen, um den Inhalt von 700 glänzend erzählten Seiten auf 160 Seiten einzudampfen. Er hat sich eingemischt – natürlich, „in bescheidener Weise Einfluss genommen“ und Aspekte wieder reingebracht, die schon gestrichen waren. Jetzt ist er zufrieden mit dem Ergebnis: „Regisseur Sven Stricker hat den Bogen gut getroffen“, lobt der Autor. Der Bogen, das ist das abenteuerliche Leben des Magiers, Wunderheilers und Scharlatans Cagliostro. Natürlich war der Hobby-Magier Schneider fasziniert von diesem selbst ernannten Grafen, dem Mozart seinen „Sarastro“ nachempfunden hat. Immerhin wurde der als Guiseppe Balsamo geborene Junge aus der Gosse Palermos innerhalb von zehn Jahren nicht nur zum berühmtesten Arzt Europas, sondern auch zum Helden des Adels und zum Logengründer. Und das, obwohl der schillernde Sizilianer mit den ungehobelten Manieren eine Art medizinischer Robin Hood war, der die Armen umsonst heilte und die Reichen dafür bluten ließ. Zusammen mit seiner Komplizin, der schönen Serafina, mischte der selbst ernannte „Großkophta“ halb Europa auf. Den Schelm Cagliostro stellt Schneider in den Mittelpunkt seines Romans. Den Mann, der immer neue Bilder von sich selbst entwirft und immer am Abgrund balanciert. Den Mann aber auch, der durch seine Loge Orient und Okzident versöhnen wollte, der als erster Frauen in der Loge zuließ und der katholischen Kirche die Schau stahl und schließlich doch in den Fängen der Inquisition landete.
Grundlage des Romans ist die „erste Cagliostro-Biographie der apostolischen Kammer in Rom“. Der Inquisitionsprozess von 1791 wurde zur Rahmenhandlung eines in Dialogform erzählten prallen Sittengemäldes des 18. Jahrhunderts. Auf der einen Seite plaudert der Schelm Cagliostro munter aus seinem Leben und lässt die vielen Rollen Revue passieren, in die er virtuos geschlüpft war. Auf der anderen Seite grämt sich der Migräne geplagte Großinquisitor Zelada um seine Rolle in der Geschichte. Zwei, die gegensätzlicher nicht sein können. Das macht auch den Reiz des Hörbuchs aus, in dem Stefan Schad den Zelada spricht und Felix von Manteuffel dem Grafen Cagliostro seine Stimme leiht.
Der Schauspieler Felix von Manteuffel hat das als Herausforderung angenommen. „So ein Hörbuch ist ungeheuer arbeitsintensiv. Ich muss ja erst einmal die Vorlage, also den Roman, als Leser in mich aufnehmen.“ Damit nicht genug. In der zweiten „Lesung“ überlegt sich der Schauspieler Akzente, die er setzen will, um die Person zu charakterisieren und erst beim dritten Durchgang geht es um die genaue Ausarbeitung, darum, die fehlende Optik zu kompensieren, die Rolle quasi in die Stimme zu legen. Und das ist bei einem professionellen Rollenwechsler wie Cagliostro eine doppelte Herausforderung selbst für so einen versierten Mimen wie von Manteuffel.
Als neues Kunstwerk sieht die Geschäftsführerin des Hörverlags, Claudia Baumhöver, das Hörbuch. „Wir müssen den Roman skelettieren, um die dramatische Fassung zu bekommen. Ich finde, die Stimmung ist absolut vergleichbar mit dem Filmdreh, wo auch Figuren und Nebenhandlungen rausfallen müssen.“ In einer inszenierten Lesung mit eingebauten Hörspielfrequenzen wie bei Cagliostro müsse man „in Räumen denken, um den Erzählern einen Rahmen zu geben“. Der Regisseur müsse sich in die unterschiedlichsten Szenarien und Figuren hineindenken, müsse die Schauspieler führen und die Figuren in den Hörspielfrequenzen lenken. Dazu kommt noch die Musik, die nicht im Vordergrund stehen, aber die Zeit hörbar machen sollte. Nur, wenn das alles zusammenkommt, entsteht aus einem Roman etwas Neues: Kino im Kopf. „Das Geheimnis des Cagliostro“ ist dafür ein wunderbares Beispiel, pure Magie fürs Ohr.
Info: Das Geheimnis des Cagliostro, Roman bei Kiepenheuer & Witsch, 700 S., 19,90 Euro
Hörbuch: Sechs CD, der hörverlag, 28,99 Euro