In Garmisch-Partenkirchen soll Richard Strauß dafür sorgen, dass der Tourismus blüht. Der Komponist, der 40 Jahre in dem bayerischen Städtchen gelebt hat, belebt heute das Geschäft mit der Kultur. Bernd Gellermann, künstlerischer Leiter des Richard-Strauss-Festivals, hat da keine Berührungsängste. In diesem Jahr wird unter den Stars des Festivals auch ein Sternekoch sein. Johann Lafer dirigiert das Festmenü nach Original-Rezepten von Johann Strauß. Über die Küche sollen die Besucher zur Kultur finden. Schließlich könne sich Kunst nicht im Elfenbeinturm entwickeln, argumentiert Gellermann.
Zum Thema „Touristen bei Kulturevents – Stör- oder Wirtschaftsfaktor“
hat sich Kulturjournalist Arnd Wesemann andere Gedanken gemacht. Er
bringt als Beispiel touristische Tanzinszenierungen in Bali, die zwar
einen Hauch von Exotik vermittelten aber kaum eine Ahnung davon, was
solche Tänze für die Balinesen wirklich bedeuten. Für Wesemann muss es
auch Kunst geben, die aus sich selbst entsteht und ohne Tourismus
(über)leben kann. Auch Klaus Dörr, Geschäftsführer des
experimentierfreudigen Maxim-Gorki-Theaters Berlin sieht seinen Auftrag
darin „künstlerische Programme“ zu machen und „dabei kann man auch
riskieren, dass eine Inszenierung abgesetzt werden muss, weil sie nicht
ankommt“. Dagegen stellt Dieter Lohneis von Studiosus das Argument,
viel Kultur werde nur für Kollegen und nicht für den Konsumenten
produziert. Der Redakteur des „Kultimer“, der sechsmal im Jahr die
Eventreisen bündelt, legt jedoch Wert darauf, dass seine Kunden
„Authentisches“ erleben und keine extra für Touristen inszenierte
Darbietungen.
Erstaunlich findet Fernsehmann Alfred Biolek, der die Gesprächsrunde
moderiert, den Massenandrang zu Events wie etwa die MOMA-Ausstellung in
Berlin, Konzerte mit Anna Netrebko oder Robbie Williams, zum
Papst-Besuch oder zur Fußball-WM. „Sind solche Events nicht
austauschbar?“ fragt er provokativ. „Sagen wir mal: Anna Netrebko ist
krank, dafür kommt der Papst.“ Nach Meinung von Biolek würde der
Austausch der Hauptakteure den Andrang kaum beeinträchtigen. Hauptsache
Event. Dass allerdings die Open-Air-Zuschauer, die zu Anna Netrebko
strömen,auch mal in die Oper gehen, bezweifelt er: „Die Leute, die dem
Papst zugejubelt haben, gehen ja auch nicht am Sonntag in die Kirche“.
Solche Events existierten unabhängig vom kulturellen Anspruch. Es ginge
einzig um den „Hype“, dabei zu sein, etwas in der Menge zu erleben.
Birgit Koller-Hartl, Chefin der Österreich-Werbung, räumt ein, dass
Großveranstaltungen wie Anna Netrebko aber auch die Salzburger
Festspiele „Selbstläufer“ seien. Interessant seien aber auch die
kleinen Veranstaltungen und Festivals, in denen sich die einheimischen
Künstler wieder fänden. Für die Walzer-Nation Österreich jedenfalls
seien die Kulturveranstaltungen schon längst ein werbewirksames
Argument für den Tourismus.
Auch das Image von Garmisch-Partenkirchen profitiere vom
Richard-Strauß-Festival, ist der künstlerische Leiter, Gellermann,
überzeugt. Und Studiosus-Mann Dieter Lohneis sieht eine große Zukunft
für kulturelle Angebote im Tourismus, weil „die Menschen etwas suchen,
das neben dem Alltag existiert“. Für das multikulturelle Verständnis in
einer zunehmend globalen Welt empfiehlt Kulturjournalist Wesemann das
Ballett: „Tanz war schon immer international und braucht nicht einmal
Untertitel“.