Wird bald der Winter nur mehr unter Dach stattfinden so wie in Sapporo oder in Dubai? Bergbahn-Chefs, ein Meteorologe und Touristiker machten sich bei der Touristischen Runde in München Gedanken über den Schnee von morgen. Fazit: Ohne Beschneiung kein Wintersport. Aber Skifahren bleibt in den Alpen ein Outdoor-Vergnügen.
Winter verkehrt. Kalifornien versank im Schnee und in den Alpen wehte
ein Frühlingslüftchen. Die Geduld der Wintersportler und der Bergbahnen
wurde in diesem Jahr auf eine harte Probe gestellt. Man tat, was man
konnte, um wenigstens einen Hauch von Winter vorzutäuschen. Für das
Hahnenkammrennen in Kitzbühel wurden 2000 Tonnen Glockner-Schnee
herangekarrt und Orkan Kyrill fegte die 350 000 Euro teure Pracht
binnen eines Tages wieder weg. Und in Cortina waren 51 Helikopterflüge
nötig, zum die Rennpisten mit Schnee zu präparieren. Schon lange wird
kaum mehr über den Sinn von Schneekanonen diskutiert. Für viele
Bergbahnen sind sie überlebensnotwendig.
Und trotz der widrigen Wetterumstände wurde in diesem Jahr eifrig investiert.
22 Millionen Euro etwa ließ sich St. Anton die spektakuläre
Riesenrad-Technologie der neuen Galzig-Bahn kosten, für Hannes
Steinlechner, Technischer Leiter der Arlberg Bergbahnen in St. Anton,
„ein kleiner Meilenstein“ ebenso wie es vor 70 Jahren die alte
Galzig-Bahn war, damals „die erste Seilbahn für den Winterbetrieb“.
Die Gäste staunten über die offen präsentierte Mechanik, freut sich
Steinlechner, und das sei gut für die Werbung.
Nicht ganz so spektakulär ist die neue 13,5 Millionen Euro teure
Fellhornbahn aber, so Geschäftsführer Augustin Kröll, „mit Abstand die
größte Bahn Deutschlands“. Bisher hielt sich die Freude über die
längste Einseilumlaufbahn allerdings in Grenzen. „Wir haben darunter
gelitten, dass in den Medien Wetter und Klima verwechselt wurden“,
erklärt Kröll und fügt gleich hinzu: „Wir nehmen das Thema Klima sehr
ernst“. Ökologie sei auch für die Bergbahnen existentiell. Allerdings
sieht der Allgäuer keine Zukunft für einen Winter ohne Schnee und
setzt, auch mit Blick auf den südlichen Nachbarn, auf großflächige
Beschneiung: „Südtirol ist seit 30 Jahren erfolgreich ohne Schnee.“
Die Zahlen dieses Winters geben ihm Recht. Auch wenn es um Weihnachten
und Neujahr noch nicht ganz rund lief, im Februar sind die Aussichten
gut, „bisher sogar besser als 2006“. Kröll testet „seine“ Pisten am
liebsten selbst. Seine Freude über die „griffige Talabfahrt“ trüben
freilich Radiomeldungen, dass Skifahren in Bayern derzeit nicht möglich
sei.
Gegen solche Hiobsbotschaften stellt Gernot Paesold Destination Manager
Zillertal, die aktuellen Informationen im Internet. Da könne sich
jedermann davon überzeugen, dass „wir im Zillertal einwandfreie Pisten
haben und Schnee – auch links und rechts von den Abfahrten.“ Auch im
Zillertal wurde kräftig investiert: die neue Ahornbahn ist Österreichs
größte Seilbahn. Für Paesold ist dieser Superlativ allerdings nicht
ausschlaggebend, was den Erfolg eines Zielgebiets angeht. Ihm kommt es
auf „den ganzheitlichen Ansatz“ an. Auch Hotellerie und Gastronomie
müssten mitziehen. Nur hohe Qualität zu einem fairen
Preis-Leistungs-Verhältnis überzeuge die Gäste. Auch für
Wintersportorte würden „Wellness, Entertainment & Co“ immer
wichtiger – vor allem in Wintern wie diesem, in dem die Extremskifahrer
eher ausblieben.
„Unkenrufe gab es schon immer“, weiß Manfred Filzer. Der
Vorstandsvorsitzende der Bergbahn AG Kitzbühel hat im Archiv geblättert
und schon 1905 Vorbehalte gegen einen Wintersportort unter 1300 Metern
gefunden. Mit dem Olympiasieg von Toni Sailer habe dann der Boom in
Kitzbühel begonnen und nahezu zur gleichen Zeit sei die erste
Schneekanone aufgestellt worden – in St. Andreasberg im Harz. Auch wenn
die weiße Pracht in manchen Jahren auf sich warten ließe, das
Mikroklima in der Region Wilder Kaiser sorge für „ordentliche
Schneemengen“. Trotzdem müsse man in Beschneiung investieren –
Kitzbühel hat dafür einen der größten Speicherseen Österreichs -, um
die von der Klientel erwarteten perfekten Pisten zu garantieren.
Derzeit meldeten die Bergbahnen „Rekordbesuche“, „wir werden
regelrecht gestürmt“. Und das nicht nur von Russen, wie Filzer
beteuerte: „Russisches Roulette spielen wir in Kitzbühel noch nicht“.
Vielleicht ist da das Wetter am Drücker. Immerhin acht Grad wärmer als
im letzten Jahr ist dieser Winter nach den Aufzeichnungen des
Wetterdienstes Innsbruck. Meteorologe Dr. Karl Gabl hat den Wintertrend
seit 1930 beobachtet und festgestellt: „Die Erwärmung ist da.“ In den
letzten zehn Jahren seien die Winter durchschnittlich um zwei Grad
wärmer geworden, was einem „Höherschieben um 300 Meter“ entspräche. Die
Schneedecke habe auf Grund der warmen Winter abgenommen. In 800 Metern
Höhe um 25 Prozent, in 1400 Metern immer noch um zehn Prozent.
Allerdings, gibt der Wetterforscher zu bedenken, gäbe es regionale
Unterschiede, etwa Staulagen wie im bayerischen und Tiroler Alpenraum,
wo man keine Abnahme der Neuschneesummen verzeichnen könne. Als „nicht
lösbar“ sieht Gabl das Messprinzip der Schneehöhen.
Naturschnee werde vom Wind verfrachtet und sammle sich an bestimmten
Stellen: „Schneehöhe ist nicht in Fahrkomfort umsetzbar.“
Diese Aussage unterstützt auch Tobias Luthe, Umweltreferent im
Deutschen Skiverband. Eine verfestigte Zehn-Zentimeter-Schneedecke sei
allemal besser als ein halber Meter Pulverschnee auf Fels. Deshalb sei
auch „Beschneiung ein wichtiger Bestandteil des Wintergeschäfts“. Luthe
spritcht sich für eine Balance zwischen den ökologischen Ansprüchen und
den Wünschen der Wintersportler aus. Er denkt auch an Zertifizierung
für „ökologisch qualifizierte Skigebiete“, etwa nach dem Vorbild der
amerikanischen Top-Wintersportorte Aspen und Vail, die sich der
Nachhaltigkeit verschrieben haben. Denn eines stellt Luthe klar: „Der Klimawandel ist da.“ Und damit auch ein Problem für den Deutschen Skiverband: „Wie kriegen
wir das Thema Schnee in die Köpfe, wenn im Flachland keine Flocke
fällt?“
„Im Kopf der Kunden ist der Naturschnee immer noch besser als der
Kunstschnee“, ist Augustin Kröll überzeugt. Deshalb sei die
„strategisch gute Lage des Skigebiets wichtig für die Zukunft“. Und
Wintersport sei wichtig für die Berge. „Wovon sollen die Menschen in
den Alpen denn sonst leben?“ fragte der Bergbahnchef und appelliert ans
Umweltgewissen: Ökologisch gesehen sei es immer noch besser, in der
Nähe zum Skifahren zu gehen als auf die Malediven zu fliegen.
An Skihallen oder überdachte Skiberge als Alternativen wollte keiner
denken. Hannes Steinlechner aus St. Anton ist zwar „froh um jede
Skihalle in den Ballungszentren“, aber Hallenski in Kitzbühel kann er
sich nicht vorstellen. Ohne das Panorama der weißen Berge ringsumher
mache Skilaufen nur halb soviel Spaß, waren sich die Referenten einig.