Autor: Kiran Nagarkar, Giovanni Bandini, Ditte Bandini
Verlag: A 1 Verlagsges. Erschienen: September 2006 |
Der Inder Kiran Nagarkar bereichert die Palette indischer Literatur, die in diesem Jahr zur Buchmesse auf den Markt kam, mit einem beunruhigenden Wälzer: „Gottes kleiner Krieger“ versucht nichts weniger als das Wesen des Fanatismus zu durchdringen. Zia Khan ist ein Mathematikgenie, Zahlen faszinieren ihn und kühles Kalkül ist eher seine Sache als heiße Gefühle. Und dennoch wird Zia zu einem fanatischen Muslim und später zu einem ebenso fanatischen Katholiken. Immer im Dienste seines Herrn nimmt sich der junge Mann die Freiheit, selbst über Gut und Böse zu entscheiden. Der Zweck heiligt für ihn jedes Mittel. Dabei ist Zia Khan alles andere als ein Unterprivilegierter. Er wächst
zusammen mit seinem Bruder Amanat in einem behüteten Umfeld auf, bis
sein Vater, ein liberaler Architekt, Konkurs macht. Als die Familie aus
dem schönen Haus in einem Vorort von Bombay in eine Mietskaserne
umziehen muss, hat Zia das Gefühl, aus dem Paradies vertrieben worden
zu sein. Zumal auch die verwöhnte Mutter die Familie im Stich lässt.
Dem Jungen bleibt nur die streng religiöse Tante, die ihn zu einem
rechtgläubigen Muslim trimmt. Immer wieder stößt der hochbegabte Zia
Freunde und Familie vor den Kopf. Wenn er sich für eine Sache
begeistert, tut er das mit Haut und Haaren. Und wenn nicht alles so
läuft, wie er es sich vorstellt, fällt er in ein tiefes Loch. Nur
Allah, so glaubt er, kann ihn noch retten.
Im Gegensatz zu seinem Bruder, der sich seinen Weg erkämpfen muss,
scheint Zia trotz seiner Eskapaden vom Erfolg verwöhnt. Doch der junge
Muslim ist seltsam unzufrieden. Erst in der Selbstkasteiung und später
im Kampf gegen die Ungläubigen findet Zia etwas Ähnliches wie Glück.
Das ist sein Strickmuster – auch dann, als er längst zum katholischen
Glauben konvertiert ist und sich Bruder Lucens nennt und noch viel
später, als er in einer hinduistischen Zeremonie zu Tejas wird. Zia
Khan will für seinen Gott der Beste sein, ein Held. Und diesem
Gottes-Dienst ordnet er alles unter, sein Leben, seine Freundschaften,
seine Familie. Dass er seinen Kreuzzug gegen Abtreibung und
Promiskuität mit Geldern aus dem Waffenhandel finanziert, passt ins
Bild. Am Ende stürzt er über einen Jünger, der seine Sprüche von einst
verinnerlicht hat.
Kiran Nagarkar führt den Leser in seinem furiosen globalen Road Movie
von den Seitenstraßen der indischen Mega-Stadt Bombay über die heiligen
Hallen von Cambridge und die staubigen Berge Afghanistans in die
Abgeschiedenheit eines Bergklosters und in die amerikanische Provinz.
Doch ob als Mujaheddin oder als Trappistenmönch, als Waffenhändler oder
als Wohltäter: Zia Khan ist überzeugt davon, dass er berufen ist, die
Welt für seinen Gott zu retten – ein Auserwählter. Diese Hybris ist
manchmal schwer erträglich. Aber Nagarkar weiß, wie er seine Leser bei
Laune hält. Wozu schließlich ist Zias Bruder Amanat ein verhinderter
Autor? Amanats skurrile, manchmal auch tiefsinnigen Geschichten sind
die Würze in dem Wälzer. All jenen zur Lektüre empfohlen, die meinen,
sie wüssten, was Gotteskrieger umtreibt.
Info: Kiran Nagarkar, Gottes kleiner Krieger, A1 Verlag, 712 S., 28,80 €