Medizin gegen Sommerflaute: Was heißt All Inclusive in den Alpen?

All Inclusive ist in. Gerade hat Neckermann auf Malta ein Turbo All Inclusive Angebot für Schnell- Entschlossene vorgestellt und Jahr für Jahr weiten die Veranstalter ihre All-Inclusive-Angebote aus. Vor allem Familien fühlen sich angesprochen. Sie profitieren von der Budgetsicherheit. Denn All Inclusive verspricht ja wörtlich „alles Inklusive“, also alles mit drin : Getränke, Mahlzeiten, Transfers und oft auch Sportangebote. Allerdings ist der Begriff kaum definiert und was All Inclusive in den Alpen angeht, das sieht es doch ganz anders aus als etwa in der Karibik. Die Touristische Runde in München diskutierte die vorhandenen Modelle, allen voran Arosa.


Dessen Tourismusdirektor Hans-Kasper Schwarzenbach, ein smarter
Manager-Typ, hat sich von Disneyland Paris inspirieren lassen und den
ganzen Ort zum Alpenpark gemacht. „Alles, was so drin rumsteht“
(Strandbad, Berge, Busse, Tretboote) soll’s mit einem Eintritt als
Erlebnis geben. Denn Schwarzenbach ist überzeugt davon, dass „gute
Ferienlaune auch Kauflaune“ macht. Disneyland lebe schließlich auch
nicht vom Eintritt sondern von der Konsummation seiner Kunden. Und
damit in Arosa alles so reibungslos klappt wie im Pariser Freizeitpark,
wurde Arosa All Inclusive per Gesetz verfügt, eine wahre
Pionierleistung. Natürlich habe es „enorme Diskussionen“ im Vorfeld
gegeben, räumt Schwarzenbach ein. Aber: „Wir leben gut damit.“ Und
wem’s nicht passt, der solle eben draußen bleiben. 20 Prozent mehr
Gäste verbucht Tourismusdirektor auf der Erfolgsliste und der Umsatz
auf dem Gipfel und auf den Hütten sei „geradezu explodiert“, weil ja
die Bergfahrt nichts kostet. Dabei könne die Gemeinde auch noch sparen:
es gibt keine Kontrolleure mehr. Außerdem seien die Steuereinnahmen
kräftig gestiegen, weil die Feriengäste für mehr Umsatz sorgten. „Wir
haben die Dienstleister verbeamtet“, erklärt Schwarzenbach, der Arosa
wie eine Firma führt. Die Umverteilung folgt einem komplizierten
Schlüssel. Aber von der Marke Arosa All Inclusive profitieren nicht nur
die Touristen, sondern auch die Einheimischen und die
Ferienwohnungsbesitzer. Tagesgäste, die im „Alpenpark“ auf
Entdeckertour gehen wollen, müssen acht Euro Eintritt zahlen, dann ist
auch für sie alles, „was öffentlich rumsteht“ frei.
Mit dem klassischen All Inclusive der Hotels, wo Essen und Trinken
grenzenlos möglich ist, hat das Arosa-Projekt wenig gemein. Das gilt
auch für die Naturerlebniscard, die von der Region Pyhrn-Priel
angeboten wird. 160 Betriebe (von rund 300) machen mit und ab einer
Übernachtung gibt’s die Card umsonst. „Die Leistungen decken alle
Elemente der Region ab, die der Gast üblicherweise konsumiert“, erklärt
Tourismusdirektor Dietmar Habe, also Familienaktivitäten, Museen,
Freizeitsport. Entstanden sei die Card aus dem Druck heraus, den Sommer
in den Alpen aufzuwerten, nachdem „die Wertschöpfung im freien Fall“
gewesen sei. Auch für die Einheimischen, die ja „so unwahrscheinlich
unter dem Tourismus leiden“, gäbe es eine Card, die ihnen von Mai bis
Oktober jede Menge Leistungen zusichere. Habes Resümee nach vier nicht
ganz einfachen Jahren: „Es gewinnen alle: Die Gäste haben einen
erlebnisreichen Urlaub, die Leistungsträger haben so viele Frequenzen
wie nie zuvor und die Vermieter legen zu, weil die Aufenthaltsdauer
steigt und die Gäste dank des Schlechtwetterangebots auch bei Regen
ausharren.“ Ein sechsprozentiges Plus bei den Übernachtungen habe den
freien Fall ins Sommerloch gestoppt.
Die Sommerflaute hat auch Radstadt zum Kartenspiel verführt. Und laut
Tourismusdirektor Peter Krismer gab es „sehr viele Sitzungen, bevor ein
Konsens möglich wurde“. In Radstadt umfasst All Inclusive nicht nur die
Freizeitmöglichkeiten der SalzburgerLandCard, sondern auch Kaffee und
Kuchen sowie ein dreigängiges Abendessen mit Getränk, das der Gast im
Restaurant seiner Wahl (zehn bis 15 sind mit von der Partie) genießen
kann. Die All-Inclusive-Speisekarte ist inzwischen für die beteiligten
Wirte Pflichtprogramm. Krismer sieht Radstadt mit dem Konzept auf der
Erfolgsspur, auch international, obwohl gerade mal fünf Prozent der
Gäste das Angebot annehmen. Der Tourismusverband wolle Aufbruchstimmung
wecken, betont er. Dass All Inclusive in Radstadt nicht all das
beinhalte, was der Begriff sonst verspricht, stört ihn nicht. „Unsere
Leistungen sind klar definiert. Der Gast weiß sehr genau, was er
bucht.“ Und All Inclusive sei einfach als Name „omnipräsent“.
Das räumt auch Susanne Schlung ein, Produktmanagerin von Neckermann
Deutschland, Care und Family Autoreisen. Weltweit sei All Inclusive
„das absolute Erfolgsmodell, aber da ist dann wirklich alles drin“. Vor
allem im Winter versucht Neckermann auch im Alpenraum All Inclusive
durchzusetzen. Mit wenig Erfolg. „Wir haben elf Anlagen, vier mehr als
im Vorjahr“, umreißt Schlung die Schwierigkeit, neue Maßstäbe zu
setzen. Im Sommer werden die Gäste mit immerhin 43
All-Inclusive-Anlagen in die Berge gelockt. Doch die Hotels seien oft
zu klein, um mit All Inclusive überleben zu können. Denn vor allem für
Familien müsse der Preis niedrig sein. Die Schmerzgrenze liegt laut
Schlung bei 60 Euro. Insgesamt sieht die Neckermann-Frau im Alpenraum
„kaum ein Angebot, das ich wirklich als AI bezeichnen könnte“. In
Bayern seien es gerade mal vier Betriebe.
Simone Zehnpfennig von der Allgäu Marketing GmbH sieht das ähnlich. Im
Allgäu gäbe es zwar Einzelvermieter, die All Inclusive anböten in
Verbindung mit der AllgäuWalserCard – aber vor allem in der
Nebensaison. Auch die Pauschalen, die seit drei Jahren Kindern freien
Eintritt versprechen, seien auf die Monate vor den großen Ferien
beschränkt. Zehnpfennig: „Dann wird das ganze Allgäu Freizeitland“.
Nichts gegen den Alpenpark Arosa allerdings, wo die „radikale Tour“
(Habe) gefahren wird – zum Wohl des Ortes und seiner Gäste, wie
Schwarzenbach überzeugt ist: „Wir verschenken nichts. Uns geht’s besser
als vorher.“ Das bringt Nachahmer auf den Plan. Davos und Samnaun etwa
denken daran, ein ähnliches Konzept umzusetzen – und Schwarzenbach hat
auch schon in Bayern die Werbetrommel gerührt.

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