Seit einigen Jahren gehen schwere Skiunfälle kontinuierlich zurück. „In Wirklichkeit macht Carving Skifahren sicherer,” sagte Tomas Woldrich, im Österreichischen Skiverband verantwortlich für das Thema Breitensport und Sicherheit, bei der Touristischen Runde in München. Es gibt aber noch mehr, was im Wintersport zur Sicherheit beiträgt: Perfekt gewalzte Pisten helfen, Stürze zu vermeiden. Helme und Protektoren erleben einen regelrechten Boom. Clemens Kopal von der Firma Komperdell, einer der Pioniere in Sachen Protektoren, warb für das Produkt, das vorwiegend Rücken und Nacken schützt, indem es die Aufprall-Energie abfängt. Zielgruppen sind für ihn nicht nur Freerider und Snowboarder, sondern auch ganz normale Skifahrer und Kinder. Allerdings sind Protektoren mit einem Anschaffungspreis von rund 100 ¤ relativ teuer, wenn die Kinder noch wachsen. Deshalb produziert Komperdell auch Protektoren für den Leihbereich, die sich überziehen lassen „wie eine leichte Ritterrüstung”. Auch wenn Rennläufer „zu 100 Prozent” mit Protektoren in die Abfahrt gehen der Rückenschutz macht noch keinen guten Skifahrer. Kopal vergleicht Protektoren mit ABS im Auto: Der Schutz funktioniere so lange gut wie man das eigene Können nicht überschätze.
Solche Selbstüberschätzung führt immer wieder zu Skiunfällen. Deshalb haben die Skiverbände einen Regelkatalog für die Piste aufgestellt. In Österreich sind Pistenhelfer unterwegs, die informieren und aufklären aber auch schon mal ermahnen. „Es wäre nicht in unserem Sinn, wenn jemand mit Bußgeldblock auf der Piste stünde und abkassiert,” macht Woldrich klar. Wichtiger sei es, gefährdete Zielgruppen zu sensibilisieren. Dazu zählen in erster Linie Kinder aber auch Frauen, die sich doppelt so häufig am Knie verletzten wie die Männer. Das Pilotprojekt „Frauenpowder”, das in Sölden startete, soll deshalb in ganz Österreich umgesetzt werden und die Risikogruppen konkret ansprechen.
Seit 1. Januar 2005 gilt in Italien die Helmpflicht für Kinder bis 14 Jahre. Dr. Gerhard Vanzi von Dolomiti Superski hat festgestellt, dass die Vorschrift „völlig problemlos” eingehalten werde und dass verstärkt auch Erwachsene mit Helm auf die Piste gingen. Vanzi, selbst überzeugter Helmträger: „Vor allem die besseren Skifahrer sind zur Vernunft gekommen und tragen Helm.” Auch wenn in Italien die Carabinieri Raser aufhalten und Bußgeld kassieren können, ist Vanzi gegen massenhafte Kontrollen. Das würde seiner Meinung nach die Freude am Skisport mindern.
Der Meinung ist auch Hermann Engel vom Deutschen Skiverband, der auf mehr Miteinander auf der Piste setzt. „Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, das Sicherheitsbewusstsein zu stärken,” erklärte Engel. Dazu gehöre auch, dass Skifahrer und Snowboarder einen „Riecher fürs Risiko” entwickeln. Zwar minderten perfekte Pisten und gepflegte Ausrüstung bis hin zu Helmen und Protektoren die Gefahren, wichtig sei aber auch, sich selbst nicht zu überschätzen. „Der Rennlauf ist ein Quantensprung an Geschwindigkeit,” mahnte Engel, das dürfe nicht auf den Breitensport übertragen werden. Während die Rennläufer tief in die Hocke gehen, plädiert Engel für den „aufrechten Skifahrer”: „Sicherheit fürs Knie bekomme ich, wenn ich bedächtig und in aufrechter Position die Piste hinunter fahre”.
Fazit: Der beste Schutz auf der Piste ist sicheres Fahren. Rücksicht auf sich und andere sollte auch im Wintersport selbstverständlich sein. Dass Helme beim Skifahren trendy sind, kann nicht schaden. Vor allem bei Kindern sollten sie die Regel sein. Und wer sich zusätzlich mit Protektoren wappnet, ist zwar gegen Aufprall-Verletzungen besser gerüstet, sollte aber deswegen nicht gleich zum Rennfahrer mutieren.
21Feb. 2006