Die Gute und das Arschloch: James Meeks „Liebe und andere Parasiten“

Er ist ein arrogantes, selbstgerechtes Arschloch. Sie ist eine leicht überengagierte Wissenschaftlerin, die für die Entwicklung eines Malaria-Medikaments auch vor Selbst-Versuchen nicht zurückschreckt. Der TV-Produzent und ehemalige Pop-Star Ritchie und seine Schwester Bec sind jeder für sich Exzentriker. Vielleicht sind sie sich deshalb so von Herzen zugetan. Allerdings ahnt Bec nicht, dass Ritchie seine Frau mit einer 15-Jährigen betrügt. Und sie ahnt auch nicht, wozu ihr Bruder imstande ist, um diesen Sündenfall nicht an die Öffentlichkeit geraten zu lassen. 

 „Lass dich nicht erwischen“ ist für Ritchie das höchste Gebot – und genau das hat er übertreten, weil er zu sorglos war. Ausgerechnet der prüde Zeitungsverleger Val, ein Moralapostel, weiß von seinem Geheimnis und erpresst ihn. Weil Bec ihm einen Korb gegeben hat, ist Val auf Rache aus. Sein Deal: Wenn Ritchie ihm Bec ans Messer liefert, ist er raus aus dem Schneider. 
Zuerst wehrt sich Ritchie wie ein Mann gegen dieses Ansinnen. Doch der Druck ist zu groß. Er hat Angst, seinen Job zu verlieren, die Familie – und in der Öffentlichkeit unten durch zu sein, wenn sein Fehltritt rauskommt. Also tut er, was ihm aufgetragen wurde, und sucht im tadellosen Leben seiner Schwester nach Schwachstellen. Natürlich wird er fündig. Wer ist schon ohne Fehler? Es sind nicht die Parasiten, die Bec in ihrem eigenen Körper nährt, die Ritchie zum Anlass nimmt, es ist ihre Beziehung zu einem seiner früheren Kumpel, Alex, der inzwischen ein erfolgreicher Forscher geworden ist. Mit Neid verfolgt der abgehalfterte Star, wie Bec und Alex scheinbar ohne es zu wollen in den Olymp der Berühmtheiten aufsteigen, wie mit ihrer Liebe auch ihr Wohlstand wächst. 
Und dann serviert ihm Bec vertrauensvoll den Hinweis, der diese Idylle zu Fall bringen wird: Weil Alex sich Kinder wünscht, aber offensichtlich keine zeugen kann, hat sich Bec mit seinem liederlichen Bruder Dougie eingelassen und ist schwanger geworden. Das alles in dem Haus, das Alex‘ Gönner Harry seinem Schützling zugedacht hat. Der alte Professor, mit einem pietistischen Sohn gesegnet, hatte dafür diesen und seine Familie enterbt. 
Ein Fall wie gemacht für Vals moralisches Scherbengericht. Indem er Alex als Erbschleicher diskreditiert, entzieht er beiden die Existenzgrundlage. Und das Ende vom Lied? Ritchie bleibt ein Arschloch, betrügt seine Frau wieder, verliert die Familie und fängt mit der Neuen ein neues Leben an. Bec und Alex widmen sich in Afrika der Malariaforschung und dem kleinen Leo. Und manchmal träumt Bec von ihrem folgenschweren Seitensprung mit dem Nichtsnutz Dougie.
James Meeks Roman „Liebe und andere Parasiten“ ist ein provozierendes, schwarzhumoriges Porträt unserer Zeit, der die Normen abhandengekommen sind und in der jeder selbst entscheiden muss, was ihm „heilig“ ist. 
Info: James Meek, Liebe und andere Parasiten, DVA, 532 S., 22,90 Euro   

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