Bilderreiche Erinnerung: Urs Widmers „Reise an den Rand des Universums“

„Kein Schriftsteller, der bei Trost is, schreibt eine Autobiographie. Denn eine Autobiographie ist das letzte Buch. Hinter der Autobiographie ist nichts. Alles Material verbraucht. Kein Erinnerungsrätsel mehr.“
Urs Widmer hat es doch getan. Der 75-jährige Schweizer Autor und Brecht-Preisträger hat ein Erinnerungsbuch geschrieben – über die ersten 30 Jahre seines Lebens von 1938 bis 1968.

Es ist ein aufrichtiges Buch geworden, in dem der Autor sich auch den eigenen psychischen Problemen stellt, die ihn von Kindheit an wie ein dunkler Schatten begleitet haben. Von seiner Zeugung berichtet er, von der nach außen hin glücklichen Kindheit, von der Schulzeit, der ersten Liebe und der Entdeckung der Sexualität. Studentenzeit und Aufenthalte in Frankreich begleiten sein Erwachsenwerden ebenso wie die  – schwierigen – Eltern („Ich weiß eigentlich von nichts, was sie gemeinsam hatten. Sie waren Papa und Mama. Ich liebte und brauchte beide. Das vielleicht.“) Widmer fühlt sich mehr noch als seine Schwester als Bindeglied zwischen den beiden, eine aufreibende Aufgabe. 
Verblüffend die Einzelheiten, an die sich der Autor erinnert bis hinein in seine frühe Kindheit im Schatten des Zweiten Weltkriegs. Da mögen auch die Erzählungen der Eltern mit eingeflossen sein. Doch Widmer flicht das alles mit ein in sein bilderreiches Erinnerungsbuch, das mal leichtfüßig daherkommt, dann wieder schwermütig, immer aber mit dieser leichten Selbstironie, mit der das Alter auf die ungestüme Jugend blickt.
Dass „Glück so schwer zu erhaschen“ ist „wie das Higgs-Teilchen“, hat der Schriftsteller schon früh erfahren, was ihn nicht daran gehindert hat, immer wieder sein Glück zu versuchen. So sind diese Lebenserinnerungen, die uns auch die Kriegs- und Nachkriegsschweiz nahe bringen, durchzogen von einem optimistischen, heiteren Grundton, der das Lesen zum Vergnügen macht. Bleibt zu hoffen, dass Urs Widmer entgegen seiner eigenen Aussage nicht wirklich „alles Material verbraucht“ hat. 
Info: Urs Widmer, Reise an den Rand des Universums, Diogenes, 347 S., 22,90 Euro.                  

Ein Kommentare
  • Lena
    September 24, 2013

    Hört sich sehr interessant an. Ich glaube da hab ich ein Weihnachtsgeschenk nach dem ich es gelesen habe. 😉

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