„Die Grenzen meiner Sippe sind die Grenzen meiner Welt“: Ilija Trojanow ist in Bulgarien aufgewachsen, einem Land am Rand der europäischen Welt. Zusammen mit dem Berliner Fotografen Christian Muhrbeck ist der heute in Wien lebende Autor auf mehreren Reisen zurückgekehrt in das Land seiner Sippe, seiner Kindheit.
Gemeinsam haben sie sich auf Spurensuche begeben – nach Orpheus, dem Sänger der Antike aus dem Rhodopengebirge, der aus Liebe zu seiner Frau Eurydike in die Unterwelt hinab stieg. „Wo Orpheus begraben liegt“ heißt das gemeinsame Werk, ein anrührendes Bilder-Buch in Schwarz-Weiß mit wundersam poetischen Reportagen aus einer fremden, immer noch armen Welt – ein fast intimer Blick über den Tellerrand. Dem „Weltensammler“ Trojanow gelingt es, in seinen Texten die Melancholie der Bilder aufzugreifen, sie mit Worten zu untermalen. Er erzählt von den Menschen, die sich in einem für uns fremden Leben eingerichtet haben – in zerfallenden Häusern, in rostenden Wohnwägen, auf der Müllkippe. Da begegnen uns Gäste einer Hochzeit und solche einer Trauerfeier, da zeigen uns die Donaufischer ihre meist leeren Netze und ein kleiner Junge vergleicht seine Familie mit einem bulgarischen Eintopf.
Alles mutet ungeheuer archaisch an und entwickelt so eine Wucht, der man sich nicht entziehen kann, auch nicht entziehen will. Auch wenn der Ort, wo Orpheus angeblich begraben liegt, alles andere als ein Touristenziel ist – dieses Buch weckt die Neugier auf ein Land jenseits des Goldstrands und der berühmten Klöster.