Die Händler im Old Market von Sharm el Sheik sind verbittert. Seit zwei Terroranschläge am 23. Juli viele Menschen aus ihrer Mitte rissen, ist der Markt verödet. Gelangweilt sitzen die Händler vor ihren Ständen. „Die Terroristen sind unsere Feinde,” sagen sie. „Sie haben uns unsere Lebensgrundlage weg gebombt.” Ganz anders die Situation in Naama Bay, dem touristischen Zentrum. Zwar ist das Ghazali Garden Hotel, dem ein dritter Anschlag galt insgesamt kamen 65 Menschen ums Leben eingerüstet, aber im Zentrum, das mit seinen Lichterketten eher an Disneyland erinnert als an Ägypten, flanieren die Touristen wie eh und je. Man sitzt in den Straßencafés und raucht Wasserpfeife, trifft sich im Casino und kauft in einem der Läden Mitbringsel für die Lieben zu Hause.
Zum Beispiel bei Ahmed. Der Händler vertreibt Duftessenzen und die dazu gehörigen Flacons. Touristen sind in seinem Laden willkommen, auch wenn sie nichts kaufen. Da ist Ahmed großzügig. Von Terroristen will der Händler aus Kairo nichts wissen. Das ist nicht gut fürs Geschäft. Lieber redet er über die Vorzüge von Patschuli und Jasmin. Auch der Reiseführer im Bus mag nicht über die Anschläge reden. Als das zerstörte Ghazali Garden Hotel auf der linken Seite zu sehen ist, verweist er schnell auf die rechte Seite und Helmut Kohls Lieblingshotel, das Mövenpick Jolie Ville.
Der Altbundeskanzler sei gerne in Sharm el Sheik, sagt Mohammed Ali, seit er 1996 damals noch in Amt und Würden am Friedensgipfel teilgenommen hatte. Zu dem von Amerikas Präsident Clinton initiierten Gipfel, der den Friedensprozess im Nahen Osten befördern sollte, waren auch der russische Präsident Jelzin, der französische Staatspräsident Chirac, Israels Ministerpräsident Peres gekommen. Gastgeber Hosni Mubarak, Ägyptens Präsident, besitzt in Sharm el Sheik eine Residenz nahe dem Mövenpick Hotel und dem Golfplatz. Auf einer großen Tafel sind die beteiligten Politiker im Bild versammelt. Ob sich der Altbundeskanzler wohl unter Helmut Kull wieder erkennt?
Sharm el Sheik, das nach dem Sechstagekrieg bis 1969 von den Israeli besetzt war, wird seither gern als Friedensstadt apostrophiert. Im Februar fand hier wieder ein Nahost-Gipfel statt.. Am Flugplatz beginnt die 50 Kilometer lange „Road of Peace”, die zu bis zu den Hotels an der Shark Bay führt. Sie wurde von den Israelis erbaut, ebenso wie das erste Hotel. Die Moschee des alten Fischerortes in der Bucht des alten Mannes, so die Übersetzung von Sharm el Sheikh, hatten israelische Soldaten vor der Übergabe an die Ägypter in die Luft gejagt.
Aus dem einen Hotel wurden mittlerweile 150 und es wird immer weiter gebaut. 25\x0e000 Zimmer der Drei- bis Sieben-Sterne-Kategorie warten auf Touristen aus aller Welt, die Sharm el Sheikh bis zu den Anschlägen als sichersten Ort Ägyptens zu schätzen wussten. Der Aufwand ist groß: Vor den Hotels stehen Metalldetektoren, alle Gäste werden registriert, Polizei kontrolliert die Kofferräume der Autos. „Kein Terrorist hat es bisher gewagt, in ein Hotel zu gehen,” sagt Michael Frank, Geschäftsführer von Sunrise Select. Aber er weiß auch: „Wer mit einem Lastwagen voller Sprengstoff unterwegs ist, den wird niemand aufhalten können.”
Die vorwiegend russischen Gäste im Fünf-Sterne-Resort Sunrise Island View sind mehr daran interessiert, schnell und möglichst rundum braun zu werden. Doch die Deutschen haben auf die Anschläge mit Zurückhaltung reagiert. „Die Buchungsanreize haben in Sharm el Sheikh nicht so gegriffen wie in Hurghada,” heißt es etwa bei Neckermann. Matthias Kiehm Direktor des luxuriösen Four Seasons Resorts Sharm el Sheik, schaut trotzdem optimistisch in die Zukunft.
Die meisten Gäste ließen sich von Terroristen ihren Urlaub nicht kaputt machen, glaubt er. Noch vor acht Jahren sei das anders gewesen, erinnert sich Kiehm an die Folgen der Anschläge von Luxor. Heute, da der Terror auch in Europa Einzuggehalten habe, seien die Urlauber eher fatalistisch. Und das Four Seasons sei sicher wie eine Festung. Nach den Anschlägen habe das Krisenmanagement wie am Schnürchen funktioniert,” berichtet Kiehm: „Innerhalb von 15 Minuten waren wir abgeschottet wie Fort Knox.” Geld spielt dabei keine Rolle. Das Sieben-Sterne-Resort gehört Al Walid Ben Talal, einem Neffen des saudischen Königs Fahd. Der Prinz, der mit Michael Jackson eng befreundet ist, gilt als der siebtreichste Mann der Welt.
Von so viel Reichtum können die Händler im Old Market nur träumen. Seit die Touristen ausbleiben, herrscht Ebbe in ihrer Kasse. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Hosni Mubarak derzeit Urlaub in Sharm el Sheikh macht.
10Nov. 2005