„Wir Menschen sind stärker als wir denken“: Reinhold Messner im Gespräch

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Herr Messner wie geht es Ihnen?
Mir geht es ausgezeichnet. Ich bin grade unterwegs nach Rom, wo ich einen Vortrag halten werde.  

In den letzten Jahren sind Sie fast zum Familienmenschen mutiert. Werden Sie Ostern mit Ihrer Familie verbringen?
Ich war ja immer ein Familienmensch. Ich komme aus einer großen Familie und lebe jetzt in einer kleinen Familie, meiner eigenen. Allerdings habe ich mir immer herausgenommen, weitere Abenteuer zu wagen. Man muss sich nicht einsperren lassen, nur weil man Familie hat. Das ist das Vorurteil der Spießer. Aber ich kümmere mich um meine Kinder und bin oft wochenlang zu Hause, jetzt sogar mehr als früher – verständlicherweise. Und ja, auch Ostern bin ich zu Hause.

Sie haben ja schon viele Projekte erfolgreich abgeschlossen: als Bergsteiger alle 14 Achttauender bewältigt, als Weltenwanderer Pole und Wüsten durchschritten, als Politiker die grüne Sache vertreten, als Autor Berge von Büchern verfasst und jetzt sind sie dabei, als Museumsmacher Südtirol mit einem Netz von Bergmuseen zu überziehen. Wie weit sind Sie da?
Das letzte Museum ist finanziert und ich habe mit den Architekten die Pläne entwickelt. Jetzt wird also gebaut und ich bin alle zwei Monate da. Spätestens im Herbst nächsten Jahres könnte das Haus aufmachen. Dann steht das letzte der fünf Mountain Museums. Noch ein paar Jahre werde ich die Defizite tragen müssen. Aber sobald sich das Projekt selbst finanziert, steige ich aus. Ich suche schon eine junge Museumsleiterin – mit Frauen kann ich es besser – die dann meine Arbeit macht. So ein Museum muss lebendig bleiben. Ich will dann eine neue Aufgabe angehen.

Es gab aber auch in Ihrem scheinbar so erfolgreichen Leben viele Tiefen. Wie schaffen Sie es, sich immer wieder aufzumachen und neu durchzustarten?
Natürlich habe ich immer wieder herbe Rückschläge erlebt, am Dalaughiri etwa bin ich in den 70igern jämmerlich gescheitert und am Nanga Parbat habe ich meinen Bruder verloren. Auch bei der Nordpol-Durchquerung bin ich gescheitert und der Fersenbeinbruch nach dem Sturz in Juval war eine bittere Pille. Aber: Mein Erfolg ist der Tatsache zu verdanken, dass ich immer, wenn ich am Boden lag, wieder aufgestanden bin und es neu versucht habe. Das gilt nicht nur für die Berge sondern auch für das Museumsprojekt, wo ich gegen eine ganze Zeitungsphalanx ankämpfen musste. Ich bin sicher nicht besser und auch nicht stärker als andere, aber ausdauernder. Man darf sich nicht klein kriegen lassen. Vielleicht hilft ja auch die Erkenntnis, dass es nicht wirklich wichtig  ist, was man tut. 

Aber die Berge waren Ihnen immer wichtig?
Wenn ich heute zurück denke, habe ich alles von den Bergen gelernt,aus der Natur gegriffen. Nicht aus den Universitäten oder den Bibliotheken. Ganz wichtig für mich war der Umgang mit den Bergkulturen. Und wenn ich beispielsweise in Freiburg vor Investmentbankern rede, heißt das, dass ich eine große Glaubwürdigkeit habe. Die Natur ist das reine Chaos wie das, was wir heute in der Wirtschaftswelt erleben. Und darin zu bestehen ist die wichtigste Herausforderung.

Haben Sie nicht auch zuweilen das Gefühl, das Leben sei eine Sisyphos-Arbeit: Man kann sich noch so sehr anstrengen und kommt doch nie so richtig weiter wie Sisyphos, der immer wieder von neuem beginnt, den Stein den Berg hochzurollen?
In Sigmundskron habe ich den Mythos von Sisyphos thematisiert. Ich identifiziere mich im übrigen gern mit ihm – auch wenn das jetzt ziemlich hochnäsig klingt. Und auch mit dem Satz von Camus, dass man sich Sisyhus als glücklichen Menschen vorstellen muss. Denn was ist Bergsteigen anderes als die Eroberung des Nutzlosen. Trotzdem, es ist wichtig,  eine Möglichkeit, mich einzubringen. Und das ist doch die Aufgabe in meinem Leben. Wir sollten nicht zu weit in die Zukunft schauen. Wir können nichts Ewiges schaffen. Ob meine Projekte, die Bücher, die Museen, mich überdauern, wird man erst nach meinem Tod sehen.

Ihr sicher schlimmstes Erlebnis war  der Tod Ihres Bruders Günter am Nanga Parbat, ein Drama, das Regisseur Joseph Vilsmaier jetzt gerade mit Ihrer Hilfe verfilmt. Haben Sie keine Angst, dass dadurch wieder alles hochkommt, was überwunden schien?
Was soll denn da noch hochkommen? Für mich ist die Geschichte seit 40 Jahren verinnerlicht. Ich lebe seither mit der Verantwortung, sie gehört zur Tragödie des Überlebenden. Aber mit dem Fund von Günthers Leiche wurde ja endlich aufgeklärt, was damals wirklich passiert ist und meine Ankläger wurden als Lügner entlarvt. Mein Bruder ist am Fuß der Diamir-Wand aufgetaucht und damit ist auch klar, dass er in eine Lawine geraten war. Ich bin beim Film nur als Helfer dabei, sicher als einer der unwichtigsten der Crew. Aber ich werde aufpassen, dass kein Kitsch rauskommt und ich werde vor allem ein aufmerksamer Schüler sein. Denn das Filmemachen interessiert mich.  

Als Guru der Berge und Weltenerklärer sind Sie in diesen Zeiten besonders gefragt. Schließlich folgt jedem Gipfelsturm ein Abstieg, jeder Höhe eine Tiefe. Wie sehen Sie die derzeitige Lage? Sind wir schon im Tal oder noch im Abstieg? Und was kann die Gesellschaft tun, um wieder Tritt zu fassen?
Wir sind schon sehr weit unten und müssen uns diesmal darauf einstellen, dass wir auf dem Boden landen. Vor allem die junge Generation muss den Mut haben, die Welt neu zu erfinden.  Jetzt ist Kreativität gefragt. Man muss investieren in Infrastruktur, Bildung und Wissen. Wegen der Wirtschaftskrise ist die Welt noch lange nicht am Ende.

Schaut man auf Ihr mittlerweile 64 Jahre währendes Leben, könnte man sagen, jede Krise berge auch die Chance zu einem Neuanfang. Könnte das auch für die derzeitige Krise gelten?
Ich bin aus jedem Loch wieder herausgekrochen, kam umso stärker zurück je schlimmer es war. Tatsache ist doch: Wenn es wirklich übel wird, hört die Hoffnungslosigkeit auf und der Überlebensinstinkt treibt uns weiter. Das war bei mir so nach dem Tod meines Bruders, den ich mir rein rational zwar eingestand, aber  emotional noch gar nicht erfasst hatte. Wir Menschen haben viel mehr Überlebenskraft als wir uns zutrauen. Das hat doch die Nachkriegsgeneration gezeigt, die Deutschland wieder aufgebaut hat und die sich mit dieser Leistung unsere Bewunderung verdient hat. Wir sind nur viel zu verwöhnt, um über den Konsum hinaus das Wesentliche zu sehen. In diesem Sinn ist die Krise tatsächlich auch eine Chance. Sie holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück, macht uns bescheidener und hoffentlich auch kreativer.

 

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