Wenn der Himmel einstürzt: Roy Jacobsens „Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte“

Er ist zwar schmächtig, aber keineswegs auf den Kopf gefallen. Für seine zehn Jahr ist Finn echt clever. Er durchschaut so einiges in der Welt der Erwachsenen. Das liegt wohl auch daran, dass er zusammen mit seiner Mutter den Einflüssen der Außenwelt trotzt. Seinen Vater kennt der aufgeweckte Junge nicht.

Aber mit einem Erbe des unbekannten Erzeugers muss er sich auseinander
setzen. Mit seiner Halbschwester Linda – klein, dicklich und sehr
schüchtern, womöglich schwachsinnig Finn findet sich erstaunlich schnell
in die Rolle des großen Bruders, der die Kleine mit Zähnen und Klauen
verteidigt. Und das, obwohl Linda die Zweisamkeit mit der Mutter
empfindlich stört. Aber da ist ja auch noch der Untermieter, der sich
überall einmischt und Finns Paradies bedroht: „Ich liege einfach da und
lausche dem gewaltigen Himmel, den nur eine Mutter erschaffen kann, aber
den auch nur eine Mutter zerstören kann.“
In diesem Jahr, dem Jahr der Mauer und Juri Gagarins, in dem Linda
schwimmen lernt, stürzt für Finn dieser Himmel ein. Es gibt keine
Gewissheiten mehr für ihn, zu oft wurde sein kindlich-naives Vertrauen
auf die Probe gestellt. Roy Jacobsen erzählt dieses eine, entscheidende
Jahr ganz aus der Sicht des manchmal etwas altklugen Finn. Und wie Finn
bleiben auch die Leser des öfteren im Unklaren über die Dramen, die sich
in der Familie der Mutter abgespielt haben, über Lindas wirklichen
Hintergrund und die Rolle des Untermieters. Durch Finns naive
Unbefangenheit gefiltert, werden auch schlimme Dinge erträglich, und so
ist dieser Roman einer Kindheit trotz aller Probleme ein fast
schwereloses Buch – auch dank der locker-poetischen Sprache. Eine
Entdeckung. 
Roy Jacobsen: Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte, aus dem
Norwegischen von Gabriele Haefs. Osburg Verlag, 269 S., 19,95 Euro

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