Schicksalhafte Begegnung: Michael Kleebergs „Das amerikanische Hospital“

Sie haben eigentlich gar nichts gemein, die dreißigjährige Pariserin Helene und der amerikanische Soldat David. Und doch ist die erste Begegnung in der Empfangshalle des amerikanischen Hospitals entscheidend für den weiteren Lebensweg beider. Helene hat dem Mann geholfen, als er vor ihren Augen zusammenbrach. Erst ganz allmählich und ganz behutsam nähern sich die Frau, die eine künstliche Befruchtung über sich ergehen lassen will und der Mann, der vom Irakkrieg traumatisiert ist, einander an – auch mithilfe der Literatur.

Michael Kleeberg hat viel mehr in seinen Roman gepackt als diese –
vorhersehbare – Annäherung zweier vom Leben gebeutelter Erwachsener. Er
nimmt diese Annäherung zum Anlass um über die Probleme der
Reproduktionsmedizin ebenso kundig zu schreiben wie über die Ängste
eines Soldaten im Krieg, über das Leben im Moloch Paris ebenso wie über
den unwürdigen Tod im Altenheim.
Wie das Hospital, in dem sich Helene und David immer wieder begegnen,
zuerst zufällig, dann auf Verabredung, ein Zwischenreich ist zwischen
Tod und Leben, verkörpern beide die Gegensätze des menschlichen Daseins.
Helene, die Pazifistin, möchte neues Leben auf die Welt bringen. David,
der Soldat, weiß, dass in seinem Beruf der Tod nicht fern ist, ja dass
er selbst todbringend sein kann. Dass beide an ihrer Mission scheitern
bringt sie einander näher. Es geht nicht ohne Verwundungen und spätere
Vernarbungen, ohne Umwege und Ausflüchte, auch nicht ohne
Missverständnisse.
Michael Kleeberg hat einen großen Roman geschrieben über unsere Zeit, in
der so viele Sicherheiten wegbrechen. Einen Roman über Gläubige, die
enttäuscht werden, einen Roman über Leben und Tod, Hoffnung und Liebe
und einen Abgesang auf den amerikanischen way of life. Er hat akribisch
recherchiert über den Golfkrieg und In-vitro-Fertilisation. Er findet
Bilder für den unsäglichen Schrecken des Krieges, die sich hartnäckig im
Kopf festsetzen – und das alles auf 200 Seiten. Dass er es mit diesem außergewöhnlich dichten Roman auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat, überrascht nicht.
Info: Michael Kleeberg, Das amerikanische Hospital, DVA, 200 S., 19,90 Euro – erscheint Ende August

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