Scharfe Oma: Alina Bronskys „Die schärfsten Rezepte der tatarischen Küche“

Eine scharfe Großmutter hat Aminat und selbstbewusst ist sie dazu. Als ihre – unscheinbare – Tochter Sulfia ihr gesteht, schwanger zu sein, denkt die Tatarin Rosalind erst einmal an Abtreibung. Doch nachdem weder die geheimen Hausrezepte noch die Stricknadel der ungeliebten Mitmieterin ihren Zweck erfüllt haben, nimmt sie das Baby unter ihre Fittiche und macht es zu ihrem Lebensinhalt.

Das kann nicht gut gehen. Sulfia fühlt sich ihrer Mutterrolle beraubt,
der Ehemann sucht sich eine andere und die von keinerlei Selbstzweifeln
angekränkelte Rosalind wird zur unumschränkten Herrscherin in Aminats
Kinderreich. Dabei duldet sie keine anderen Mütter neben sich. Auch
Sulfia muss sich mit einer Nebenrolle begnügen, nachdem ihr kurzes
Gastspiel als Erziehungsberechtigte schief gegangen ist.
Nachdem Sulfias Mann Reißaus genommen hat, bestimmt Rosalind, schöner,
klüger, perfekter und vor allem gerissener als andere Frauen, das
Schicksal des weiblichen Trios. Und das liegt nach ihrem Willen in
Deutschland. Um dorthin zu kommen, ist der cleveren Tatarin jedes Mittel
– und jeder Mann – Recht. Dass Dieter, der dicke Deutsche – kein
Ruhmesblatt für unsere Landsleute – pädophil ist und ein Auge auf Aminat
geworfen hat, macht ihn zum willkommenen Opfer. Mit seiner Hilfe reisen
die drei Frauen ins gelobte Land. Hier allerdings muss die Tatarin erst
einmal lernen, dass nicht alles Gold ist was glänzt. Aber ihr
Selbstbewusstsein lässt sie auch dann nicht im Stich, als sie ihr Geld
durch Putzen verdienen muss.
Dann stirbt Sulfia, Aminat verliert ihr Vertrauen in die Allmacht der
Großmutter und sucht ihren eigenen Weg. Und Rosalind? Sie wünscht sich
Aminat zurück, lebt aber inzwischen auch ihr eigenes Leben und gönnt
fast schon altermilde der über eine Casting-Show zum Star gewordenen
Enkelin das ihre.
Alina Bronsky, in Jekaterinburg geboren und teilweise in Südhessen
aufgewachsen, hat sicher einiges aus ihrem eigenen Leben in diesem Roman
verarbeitet. Doch jenseits aller autobiographischen Ansätze ist „Die
schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“ allen tieftraurigen
Ereignissen zum Trotz ein hinreißend komisches Buch über eine selbst
verliebte Frau, die sich nicht klein kriegen lässt. Die „aufregendste
Newcomerin des Jahres (Der Spiegel zum Bronsky-Debüt „Scherbenpark
2008) könnte mit ihrem neuen Roman wieder die Bestseller-Listen stürmen. 

Info: Alina Bronsky, Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche, Kiepenheuer & Witsch, 317 S., 18,95 Euro

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