online oder offline: Wo liegt die Zukunft?

Viele Urlaubsreisen finden ihren Anfang auf dem Tablet – vorzugsweise sonntags auf der Couch. Immer mehr Deutsche informieren sich nicht nur im Internet über ihre Reise, sie buchen auch online – weil es bequemer ist, weil sie in Ruhe Preise vergleichen können. Beraten lassen sie sich trotzdem immer noch gerne im Reisebüro vor Ort. Genügt das? Müssen sich die Reisebüros anders aufstellen, um überleben zu können? Läuft offline online den Rang ab? Die Touristische Runde suchte Antworten auf diese und andere Fragen.
Vor allem das Verhalten der Kunden habe sich geändert, meint

Birgit Aust.  Bild: privat

Birgit Aust. Bild: privat

Birgit Aust von der TVG Touristik Vertriebsgesellschaft (FTI). „Früher mussten die Kunden zu uns kommen, wenn sie auf Reisen gehen wollen. Heute können sie kommen. Das ist wohl der größte Wandel in den letzten 20 Jahren.“ Nach Ansicht von Michael Buller, Vorstand des Verbands Internet Reisevertrieb (V.I.R.) ist die größte Herausforderung unserer Zeit „die total vernetzte Welt“. Schon jetzt würde viel online gesteuert z.B. Musik oder Heizung. Auch die Automobilindustrie arbeite an vernetzten Autos. Das bedeute auch, dass die Grenzen der Branchen zunehmend aufweichen würden. Wenn alles verschmelzen wird, könne sich auch die Touristik nicht dagegen verwehren, selbst wenn sie sich „nach wie vor unglaublich schwer tut“. Aust sieht gerade in dieser Entwicklung die Chance für die Reisebüros. Vor fünf Jahren schon habe man über die Verknüpfung online/offline gesprochen. Heute ginge es ums Kommunikationskonzept. Wichtig sei ein eigenes Profil – auch online, das die eigene Klientel anspreche.
Wie man sich in einem umkämpften Markt erfolgreich positioniert, hat billiger-mietwagen.de, Deutschlandweit das größte Vergleichsportal mit 600 Anbietern in 193 Ländern, vorgemacht.

Frieder Bechtel.  Bild: privat

Frieder Bechtel. Bild: privat

„Wir behandeln den Kunden gut“, erklärt Frieder Bechtel das Erfolgsrezept, „er kommt immer zuerst, ob übers Telefon oder übers Internet“. Er hat beobachtet, dass die Kunden „preisgetrieben“ sind, aber trotzdem immer höhere Anforderungen stellten.
Dem stimmt auch Thorsten Lehmann, Geschäftsführer von Sunnycars, zu. Der Anbieter, der mit dem Slogan „Rent a Smile“ wirbt, erfreut sich im Netz großer Beliebtheit, wird aber auch mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht immer zu halten, was er verspricht. „Wenn wir Fehler machen, räumen wir das ein“, sagt Lehmann dazu. „Da muss man schon mal die Hosen runter lassen.“ Aber: „Online macht es möglich, dass die Leute sehr schnell und direkt ihre Meinung kundtun.“ Da seien auch solche dabei, die ganz bewusst Ärger machten wollten. Auch Fehleinschätzungen fänden so ihren Weg ins Netz. „Man kann nicht jedem Recht geben.“ Für Frieder Bechtel gehört Sunny Cars zu den „zuverlässigen Anbietern“. Trotzdem brauche man auch „die Billigheimer, weil viele Kunden nur billig wollen“.

Michael Buller.  Bild: privat

Michael Buller. Bild: privat

Michael Buller hebt die „Markttransparenz“ im Netz hervor. Die sei auf der einen Seite gut, auf der anderen Seite ein Fluch. So stelle der Verband täglich etwa 60 Milliarden Produkte ein, das brauche Zeit. Allerdings könne die Suche nach der idealen Reise auch im Reisebüro zeitraubend sein. Buller warnt jedoch davor, diese Suche in „die Mühseligkeitsecke“ abzuschieben. Schließlich gehöre auch die Vorbereitung auf die Reise schon zum Urlaub, sei auch eine langwierige Suche mit Vorfreude verbunden. Das bezweifelt Dr. Jürgen Kagelmann, der sich über „den Zwang alles und jedes zu vergleichen“ ärgert und diese „Vergleicheritis fast schon zwanghaft“ findet.
„Man hat die Wahl“, kontert Frieder Bechtel, „keiner muss das tun“. Aber es gebe eben Menschen „die das ganze Angebot wollen, um vergleichen zu können. Das sei ein Teil des Erfolgs von billiger-mietwagen.de. Und Michael Buller weist darauf hin, das „jeder den allergünstigsten Preis“ wolle. Da gebe es immer wieder schwarze Schafe, die beim Endpreis mogelten. Schon deshalb sei bei Pauschalreisen der Sicherheitsanspruch relativ hoch. „Wir können in unserem Leben vielleicht 50 Reisen machen. Da will man doch nichts falsch machen.“ Also suche man auch kundigen Rat und dazu reichten die Bewertungen im Internet allein nicht aus.

Thorsten Lehmann.  Bild: privat

Thorsten Lehmann. Bild: privat

Auch er gehe schon mal ins Reisebüro, wenn er „was Komplexes“ vorhabe, räumt Thorsten Lehmann ein. Dann gebe er auch gerne 100 Euro mehr aus.
Das gilt auch für Birgit Aust, die bei einer großen Reise auf den Rat der Reisebüro-Experten vertraut. „Ein Ferienhaus würde ich auch im Internet buchen“, verrät sie, aber bei einer Reise will ich sichergehen, dass ich auch das bekomme, was ich mir wünsche. Da sei das Reisebüro im Vorteil, zumal es zu seinen Kunden eine echte Beziehung entwickeln könne, „ein enormes Goodie“, das man vernünftig einsetzen sollte.
Buller(„Wir reden nicht von NSA, sondern von etwas Positiven“) würde sich zur Kundenbindung eine bessere Nutzung der Kundendaten wünschen, die dazu führe, individuell auf einzelne Wünsche eingehen zu können, ähnlich wie Amazon. Aber: „Da haben wir ein Datenschutzproblem.“ Er könne sich vorstellen, dass Kunden ihr eigenes Profil erstellen, über das auch nur sie die Kontrolle haben, und diese Infos freiwillig für die Reisesuche an Mittler übergeben. „Big Data aber unter Kontrolle.“  Das alles stecke freilich noch in den Kinderschuhen. Den Einstieg von Internet-Riesen wie Amazon und google in den Tourismus beobachtet der V.I.R.-Vorstand mit Sorge. „Das sind die Wettbewerber, die wir kriegen. Das hat sogar Herr Oettinger verstanden“, warnt er. Er sieht die Zukunft in einer „ganzheitlichen Kundenbindung“, auch über Apps, auf die der Kunde zugreifen könne, wenn er Bedarf habe. Es gehe darum, dem Kunden zur richtigen Zeit die richtigen Infos zu schicken, um ihn nicht in den Wahnsinn zu treiben. Da könnten Anwendungen in der  apple watch eine gute Übung werden.
Während Hans Werner Rodrian bezweifelt, dass der mündige Reisende überhaupt noch Mittler brauche, ist Birgit Aust sicher, dass es „die Menschen freut, wenn sie Aufmerksamkeit bekommen“. Dafür stehe das Reisebüro. Womöglich, meint Michael Buller, sei der Schweizer Weg zukunftsweisend. Die Schweizer Reisebüros haben 2014  eine Beratungsgebühr eingeführt. Beim Kauf einer Reise werde diese Gebühr verrechnet. Vom Reisevermittler zum Berater, das ist auch für Aust ein gangbarer Weg. Zumal man „mit dem responsive design das Reisebüro immer dabei“ habe. Auch das sei eine Mehrbelastung für die Mitarbeiter ebenso wie die Präsenz auf Facebook und der Newsletter, der inspirierend und individuell sein sollte.
Einig waren sich am Ende alle, dass die Entwicklung rasend schnell geht und dass man vieles ausprobieren müsste, um für die Zukunft gewappnet zu sein. „Auch Kaiser Wilhelm konnte nicht glauben, dass das Auto die Kutsche verdrängen würde“, sagt Michael Buller. Was das für den Tourismus bedeutet, muss wohl jeder für sich entscheiden.

Infos im Internet:
https://www.billiger-mietwagen.de/
https://www.sunnycars.de
http://www.v-i-r.de/
www.sonnenklar-reisebuero.de 

 

Ein Kommentare
  • Lizenz zum Geld drucken
    Juni 1, 2015

    Offline ist schneller und meistens immer etwas günstiger dennoch finde ich es angenehmer im Reisebüro sich beraten zu lassen. So ist die Wahrscheinlichkeit einer Enttäuschung geringer.

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