Margit Schönberger: Ich habe keine Lust auf Spielchen

Mein Chef ist ein Arschloch, Ihrer auch? Ein Überlebenstraining.
Autorin: Margit Schönberger
Verlag: Goldmann
Erchienen: Juli 2004

Sie ist nicht gerade ein Zuckerpüppchen, wie sie so da sitzt im Münchner Café Roma, das sie gelegentlich zu einer Zweigstelle ihres Büros macht. Eher schon eine üppige Sahneschnitte. Margit Schönberger ist rundum rund. Der Kopf mit den kurzen Karottenhaaren, die kleinen Hände, die ganze Person. Und sie nimmt’s mit Humor. „Wir sind rund, na und?” hieß eines ihrer erfolgreichen Bücher. Seither ist die Powerfrau nicht schlanker geworden, obwohl sie immer noch gern und viel schafft. Sie macht auch keinen Umweg um Kuchen und Torten. Der Kellner serviert eine gewaltige Zuppa Romana, an die sich Margit Schönberger alsbald mit großem Genuss macht.
Wir haben uns im Roma getroffen, um bei Kaffee und Kuchen ein bisschen zu plaudern, über ihr Leben und ihr neues Buch. „Don’t worry, be fifty” – ein Mutmacherbuch für alle Frauen jenseits der 40, die in einer dem Jugendwahn verfallenden Gesellschaft zu verbittern drohen. Das muss nicht sein, meint Schönberger und lobt das Angstdatum zur Chance hoch. „Plötzlich bist du 50 und die Welt ist voller Möglichkeiten”. Was der Untertitel verspricht, hat sie selbst erlebt. „Richtig toll geworden ist mein Leben eigentlich erst mit 50,” sagt sie und strahlt über das ganze runde Gesicht. Neuer Mann, neuer Job, neues Glück. Wo andere schon den Kopf in den Sand stecken und sich seelisch aufs Abstellgleis vorbereiten, macht Margit Schönberger einen neuen Anfang als Literaturagentin. Dass sie auch noch Erfolg hat, liegt an ihrem immer noch jugendlichen Elan, an den Erfahrungen einer Karrierefrau – und auch am neuen Partner. „Man kann auch zu zweit eine Wagenburg sein,” sagt sie, während sie den Rauch ihrer Zigarette genießerisch durch die korallenroten Lippen bläst. (Die Zuppa Romana hat sie inzwischen aufgegeben.) „Wir haben die selben Freunde und die selben Interessen.” Kennen gelernt hat sie ihren Traum-Mann bei Bertelsmann, wo er Verlagsleiter fürs literarische Programm war. Er hat fünf Jahre vor ihr im Verlag aufgehört, ist aber immer noch Lektor von Kempowski. Nicht, dass sie beide nicht arbeiten würden, schiebt sie vorsichtshalber nach. Man könnte ja sonst meinen, das Ehepaar hätte sich im Ruhestand eingerichtet. Dabei braucht sie Stress und Kreativität so notwendig wie den Kaffee und das Mineralwasser, die sie immer wieder nachbestellt. Aber jetzt ist der Stress selbstbestimmt: „Das Leben ist einfach schön, wenn man die Zeit nicht per Befehl vertun muss.” Gearbeitet wird zu Hause – wenn sie nicht gerade im Roma sitzt. Er arbeitet unten, sie oben. „Wir mailen uns von Stockwerk zu Stockwerk und zwischendrin gibt’s eine Kaffeepause.” So entstand auch das Buch für Frauen ab 50, das möglicherweise auch verfilmt wird. Sie habe schon einige erfolgsversprechende Gespräche geführt, verrät sie. Es könnte eine Serie über eine Pressechefin werden oder ein Film über eine 60-jährige, die auf ihr Leben zurückblickt. „Mir ist alles recht.” Margit Schönberger zündet sich eine neue Zigarette an und rührt nachdenklich in ihrer Kaffeetasse. In drei Jahren wird sie 60. „Ich kann mich noch erinnern, wie meine Großmutter mit 60 aussah. Mein Gott, was sind wir heute für junge Frauen!” Sie ist in der Nähe von Braunau in Oberösterreich aufgewachsen, war das erste Enkelkind, das Prinzesschen auf dem Hof. Eine Kindheitsidylle samt Kuhstall mit echten Kühen. Sie erinnert sich an das warme weiche Maul der Kühe, an die lauwarme Milch, die eben nicht aus der Plastiktüte kam, sondern aus dem Kuheuter, an die sonnengelbe Butter, die ihre Großmutter rührte. „Was habe ich die Falten meiner Oma geliebt,” sagt sie, „ihr Gesicht war ein einziger Runzelapfel , wenn sie lachte.” Die Familie blieb nicht auf dem Land. Als die kleine Margit vier Jahre alt war, zog sie nach Salzburg. Auch das war ein Glückstreffer. „Irgendwie wurde mir mein Traumberuf geschenkt,” sasgt sie augenzwinkernd. Es hieß: „Das Kind schreibt so schöne Aufsätze, die muss in einem Verlag arbeiten.” So kam Margit Schönberger zu einer Verlagslehre, die allerdings ein bisschen anders aussah, als es sich das Mädchen vorgestellt hatte: Bücher schleppen statt Bücher lesen. Mit 21 ging sie „der Liebe wegen” nach München und „dann ging relativ schnell so etwas wie eine Karriere los”. Süddeutscher Verlag, Droemer, Molden. Es war die Zeit, als man in den Verlagen begann, so etwas wie Promotion zu machen, also Buchpremieren zu feiern – und Margit Schönberger wurde zu einer Art Markenzeichen im Buchgeschäft. Sie betreute Hildegard Knefs „Der geschenkte Gaul” und Curd Jürgens‘ „60 Jahre und kein bisschen weise” – „echte Highlights”. Ihr absoluter Liebling aber war Muhammed Ali, „kein Boxer sondern ein Tänzer”. Ihre Augen glänzen, als sie ihr „heiligstes Bild” heraufbeschwört: Den großen Boxer, „der kleinen, dicken Margit Schönberger in den Dirndl-Ausschnitt schauend”. Sie kichert mädchenhaft. Bestimmt habe Ali schon viele Busen gesehen, versichert sie schelmisch und legt die Hände mit den korallenroten Nägeln auf den ihren. „Aber wahrscheinlich keinen in einem grünen österreichischen Dirndl.” Bald darauf kam „Wir sind rund na und?” auf den Markt und von da an ging’s bergauf. Die stämmige Karrierefrau wechselte zu Bertelsmann – ”Das war damals schon der Pressejob in der Branche”. Doch sie wollte mehr, eine eigene Agentur, einen eigenen Verlag. Der Fehltritt kostete sie alles, was sie sich erarbeitet hatte. „Und bei der Gelegenheit ging auch die Liebe den Bach runter,” sagt sie und zuckt die Schultern, als wolle sie eine lästige Bürde abschütteln. Die Ehe hatte 20 Jahre gehalten und ihr Zeit gelassen, ihren Beruf „zu polieren. An der Ehe haben wir offenbar zu wenig poliert”. Damals jedenfalls „gab es einen ganz großen Schnitt in meinem Leben. Firma weg, Ehe kaputt.” Und doch kein Grund, Trübsal zu blasen für eine Frau mit Standvermögen. Es kam ein neues Angebot von Bertelsmann. Margit Schönberger blieb 13 weitere Jahre und fand die Liebe ihres Lebens. Romantik pur und keine Scheu vor Kitsch. Dazu ist die Schönberger zu selbstbewusst. Sie war 52, als sie in Venedig geheiratet hat. Und natürlich erinnert sie sich noch genau an das Standesamt am Canale Grande und den „baumlangen Standesbeamten”, der sie ermahnte, „meine Kinder in Freiheit zu erziehen”. Sie lächelt ein bisschen wehmütig und gesteht: „Da sind mir die Tränen in die Augen geschossen.” Karl-Heinz Bittel heißt übrigens der Traum-Mann und er ist gerade mal ein halbes Jahr älter. Aber er weiß, dass er seine aktive Frau manchmal bremsen muss. „Wann willst du denn das Buch noch machen?” habe er sie gefragt, als sie ihm von der Idee zu „Mein Chef ist ein Arschloch, Ihrer auch?” erzählte. Ein provokantes Buch, aber auch ein faires Buch, versichert sie. Und obwohl sie auf den Titel bestand, habe ihr Chef damals keine Einwände gehabt. Margit Schönberger grinst spitzbübisch und zündet sich eine neue Zigarette an. Allerdings: „Es gab den einen oder anderen in der oberen Etage, der sich in dem Buch wiederzufinden glaubte.” Dabei habe sie nur den meist gebrauchten Abendspruch zitiert und ­ jetzt lacht sie ­ den Lesern auch den Rat gegeben, dieses Wort nie im direkten Gespräch mit dem Chef zu gebrauchen. Im Herbst folgt der Beweis, dass nicht nur die Chefs im Arbeitsleben ein Problem sein können: „Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde mehr” soll das nächste Buch heißen und 40 Kollegentypen vorstellen. „Also ein lustiges Buch!” Und so sei auch das Chef-Buch gemeint gewesen. Die Arbeit hat ihr Spaß gemacht, obwohl sie sich über die jetzt so moderne „politische Korrektheit” aufgeregt hat: „Es gibt keine reinigenden Gewitter mehr, keine offenen Worte, keine klare Linie,” schimpft die ehemalige Chefin, die selbst „als biestig verschrieen” war. „Ich habe keine Lust auf wolkige Spielchen,” gesteht sie unumwunden, „die kosten nur Zeit”. Die Firma soll ja auch keine Familie sein – „aber die Leute müssen miteinander offen und angstfrei reden.” Offen reden, das kann frau mit Margit Schönberger, lange und ausführlich. Auch in Erinnerungen schwelgen. An das ofenwarme Brot mit frischer Butter drauf, das die kleine Margit von der Großmutter bekam. Daran hat die Karrierefrau noch oft gedacht auf all den Empfängen bei Kartoffelsüppchen mit Kaviar oder Datteln mit Speck. Die Schönberger schiebt entschlossen die ausgeweidete Zuppa Romana von sich und steht auf. Eine kleine, runde Person mit Pumucklfrisur, ein echtes Stehaufweibchen.

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