Lust am Hören: Der erste Prix HörVerlag

Noch ein literarischer Preis? HörVerlag-Chefin Claudia Baumhöver weiß zwar um die Inflation – 20 000 literarische Preise gäbe es weltweit pro Jahr, allein 1000 in Deutschland. Aber im Bereich der boomenden Hörbranche seien solche Preise doch eher rar, begründete sie das Engagement für einen Prix Hörverlag, der künftig alle zwei Jahre verliehen werden soll. Eine Plattform soll er sein, Spielwiese und Labor für kreative Ansätze, Ideen und Experimente.

120 Einsendungen waren zu sichten und bei den letzten zehn tat sich die
sechsköpfige Jury schwer, sich für die drei besten zu entscheiden,
erklärte Jurysprecher und Literaturkritiker Dr. Wilhelm Trapp, der
sich auch über „unfreiwillig komische Laieneinsendungen“ amüsiert
hatte.
Die Jury zeigte die große Bandbreite, die das Format Hörspiel ausloten
kann. Neben Trapp und Baumhöver gehörten ihr an der Sänger,
Schriftsteller und Kolumnist Wiglaf Droste; die Schauspielerin Wiebke
Puls; der Musiker, Komponist und Schriftsteller Hans Platzgumer und Udo
Kittelmann, Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt.
Alle drei Sieger-Hörspiele hatten eines gemeinsam: Sie thematisierten
das Thema Scheitern, stellte Moderator Mirko Bott fest. Und alle
drei nutzten die Möglichkeiten des Hörspiels mit Musikuntermalung,
O-Ton-Einblendungen, Überschneidungen.

Das Siegerhörspiel von Stefan Finke „Familienalbum“ etwa ist ein
vielstimmiges Puzzle voller Tempo und Musikalität. Finke, 1963 geboren,
hat in Tübingen, Zürich und Leipzig studiert und mit dem Diplom des
Deutschen Literaturinstituts abgeschlossen. Für seinen „Inneren Monolog
für Stimmen, Musik und Geräusche“, produziert vom Bayerischen Rundfunk,
erhielt er den ersten Preis, 5000 Euro.

Preis Nummer zwei (3000 Euro) ging an das Berliner Duo Serotonin
(MarieLuise Goerke & Matthias Pusch) für „Scheitern für
Fortgeschrittene“, ein intelligentes Spiel um die Begriffe
Scheitern und Erfolg und schließlich den Erfolg des Scheiterns. Die
„höchst komplexe Fuge“, so Wibke Puls, wurde im Auftrag des WDR mit
viel technischem Aufwand in Szene gesetzt. Die freie Autorin und
Regisseurin Goerke studierte Japanologie und Germanistik in Berlin,
Kyoto und Tokio. Ihr Partner Pusch, freier Dramaturg und Regisseur,
studierte Elektrotechnik in Berlin und Kyoto.

Den dritten Preis (1000 Euro) erhielt eine Produktion von 1996 „Ins
Sack hauen“ von Hermann Bohlen, die heute noch „eine der frischesten
und frechsten“ (Hans Platzgumer) sei. In dem für den WDR produzierten
Hörspiel wird der Triumph des arbeitsunwilligen Protagonisten über den
Zwang zum Erfolg auf höchst originelle – und aktuelle – Art
thematisiert.
Hermann Bohlen, 1963 geboren, hat eine Lehre als Schifffahrtskaufmann
begonnen, Sinologie studiert und arbeitet seit 1995 als freier
Hörspielautor und -Produzent.
Alle drei Sieger-Hörspiele sind keine leicht verdauliche Hörkost, die
man sich so nebenbei auf der Autobahn oder bei der Hausarbeit
reinziehen kann. Es sind auch keine Hörbücher, die ins Ohr gehen. Man
muss schon genau hinhören, um alle Nuancen zu erlauschen. Claudia
Chefin Baumhöver, die sich zugute hält, mit dem HörVerlag Maßstäbe
gesetzt zu haben, zollte dem „Resonanzboden des Öffentlich Rechtlichen
Rundfunks“ Lob, ohne den künstlerische Hörspiele wie die
ausgezeichneten nicht denkbar wären.

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