Klimawandel: Warnung vor der Panikspirale

30 Grad, Badetemperatur, die Apfelbäume in voller Blüte und das Mitte April. Wer glaubt da nicht an Klimaerwärmung? Der Klimawandel drängt sich ganz von selbst in die Schlagzeilen. Auch die Touristische Runde in München beschäftigte sich mit dem Thema und den Auswirkungen auf den Tourismus.

Von gewaltigen Änderungen im Weltklima sprach eingangs Prof. Klaus Hasselmann, auch von dramatischen Ereignissen, die wir noch gar nicht vorhersehen könnten. Der Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie warnte allerdings auch vor Horrorszenarien und einer daraus entstehenden Panikspirale. „Wir können das Problem durchaus lösen“, zeigte der Fachmann sich optimistisch. Die Technologien seien da. Es gelte, Emissionen zu reduzieren, Energie einzusparen und alternative Energiequellen nachhaltig zu nutzen. Die Entscheidung des EU-Klimagipfels, den CO²-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu senken, zielt für Hasselmann in die richtige Richtung. Das sei „genau die Größenordnung, die wir brauchen“. Es gelte, konsequent eine langfristige Energiesparpolitik durchzuhalten, die zwar kurzfristig der Gesellschaft Opfer abverlange aber langfristig zu einer Steigerung von Lebensqualität führen könne. Das globale Klima sei schließlich ein „gemeinschaftliches Gut“ und deshalb müssten auch die Bürger als Teil der Gemeinschaft zum Erhalt dieses Gutes beitragen. Hasselmann appellierte jedoch vor allem an die Verantwortung der Politik. Nicht nur Europa sieht er in der Pflicht, auch die USA hätten eine Vorreiterrolle. „Der Staat muss eingreifen“, fordert er konseqent – auch beim notwendigen Technologietransfer in die Schwellenländer. Die Industrie werde zwar aufschreien, befürchtet der Wissenschaftler, „aber wenn sie ausgeschrieen hat, wird sie handeln“.
Das wollte Dr. Wolf Michael Iwand, Direktor des TUI-Konzernumweltmanagements so nicht stehen lassen, vor allem für die Tourismuswirtschaft. Die Industrie,  insbesondere die Airlines, erbrächten schon jetzt erhebliche, effiziente Vorleistungen, gab er zu bedenken und nannte  beispielhaft den niedrigen Kerosinverbrauch der neuen TUIfly-Flotte. Iwand, der den Klimawandel „nicht herunterspielen“ will aber die aktuelle Form der Debatte dazu als „Skandal“ empfindet, sieht wie Hasselmann den Energieverbrauch „am Anfang der Kausalkette“. Notwendig sei deshalb ein „langer dorniger Weg durch unsere Konsumgewohnheiten“ hin zu mehr „Energie-Effizienz“ und da sei die TUI vorne mit dabei. „Die Klimaschutzpolitik der TUI ist Wettbewerbspolitik“, betonte der Manager: „Wir bereiten uns systematisch auf das Emissionshandelssystem vor und werden unseren eigenen Klimaschutz durch die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern optimieren.“ Erfolge der eigenen Arbeit sieht Iwand durchaus: Im Dow-Jones- Nachhaltigkeitsindex sei die TUI das einzige touristische Unternehmen weltweit und im Klimaschutzranking die Nummer acht unter 30 Dax-Konzernen. „Der Konzern hat mitbekommen, was seine Aufgaben sind.“ Auch die Airline-Industrie sei sich der Problematik des CO²-Ausstoßes bewusst, betonte Asger Schubert, für Barig (Board of Airlines Industrie in Germany). Die Emissionen –  zwischen zwei und drei Prozent beim globalen CO²-Ausstoß – seien in gewisser Weise „der Preis für unsere Mobilität“, der Straßenverkehr verursache im übrigen 18 Prozent, die Energiewirtschaft 44 und die Schifffahrt immer noch drei Prozent. Schubert warnte davor, durch Reduzierung des Flugverkehrs die Länder der Dritten Welt von der wirtschaftlichen Prosperität abzukoppeln. Bis 2050 werde sich der Luftverkehr verdoppeln, wobei das Wachstum in China und Indien stattfinde und nicht in Europa. Man müsse also daran arbeiten, effizienter zu fliegen. Verbesserungen, da ist Schubert optimistisch, seien auch ohne dirigistische Eingriffe möglich. Barig setze auf Technologie, Optimierung der Abläufe im Flugverkehr und eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung.
30 Prozent Kerosin ließen sich allein durch neue Triebwerke einsparen. Positiv wirkten sich auch die Renaissance der Turboprops aus, synthetische Kraftstoffe und größere Flugzeuge wie der A380, die weniger Flüge bei größerer Transportleistung bedeuteten. Bionik, die Technologie aus der Natur, könnte dabei helfen, aerodynamisch in niedrigerer Höhe zu fliegen und damit die empfindlicheren Schichten der Erdatmosphäre besser zu schützen. Ebenso wichtig sei aber auch die Optimierung der Flugabläufe und Luftverkehrswege, erklärte Schubert. „Umwege und Warteschleifen will keiner fliegen.“  Bei 47 Flugsicherungsorganisationen, 58 Flugleitstellen, 22 Betriebssystemen und 30 Programmiersprachen sei Chaos nicht zu vermeiden. Ein „Single European Sky“ könne den Kerosinverbrauch dagegen um zwölf Prozent verringern. Und schon aus Umweltschutzgründen sei der Ausbau von Flughäfen wichtig, werde doch in Warteschleifen über dem Frankfurter Flughafen Tag für Tag so viel Kerosin in die Luft geblasen wie elf Jumbos auf dem Weg nach New York verbrauchten. Schubert plädierte für  verantwortungsvolle Planung („Wir müssen nicht jede Milchkanne anfliegen.“) und ökonomisch und ökologisch sinnvolle Reise-Entscheidungen. Entfernungen unter 350 Kilometer würde er gerne dem ICE überlassen. Und was die Häufigkeit der Flüge angehe, da müsse der Verbraucher sich entscheiden.
„Man kann nicht klimaneutral reisen“, stellte Rolf Pfeifer vom Forum Anders reisen klar. „Wer fliegt, sorgt für CO²-Emissionen und die kann er auch nicht durch eine Abgabe an atmosfair – die Nonprofit-Organisation bietet an die Treibhausgasemissionen durch Beiträge an Klimaschutzprojekte auszugleichen –  rückgängig machen.“ Von einer Art Ablasshandel mit atmosfair wollte Pfeifer nichts wissen. „Wir sind nicht die Kirche.“ Es gehe vielmehr um Bewusstseinsbildung, auch darum, den angerichteten Schaden etwas wettzumachen. Ziel seiner Organisation sei allerdings auch eine Verhaltensänderung. Es dürfe eben nicht selbstverständlich sein, um die Welt zu jetten, heute in New York, morgen in Berlin und übermorgen in Tokio zu sein.
Auch Fair Travel will langfristig Verhalten ändern und setzt sich für kleine Schritte ein – jeder Gast pflanzt bei Fair Travel einen Baum. Direktor Jürgen Bluhm sieht den Druck auf die Ressourcen als Sprengstoff. Bald schon könnten Klimaflüchtlinge in Massen unterwegs sein – ein Phänomen ähnlich dem der Landflucht, die zu sozialer Verelendung und Traditionsverlust geführt habe. Dass sich die Baumpflanzaktion da eher harmlos ausnehme, räumt Bluhm ein. Es gelte aber, Bewusstsein schaffen – auch in den Schwellenländern. „Es ist doch besser, dass viele wenig tun als dass wenige viel tun“, betonte der Fair-Travel-Mann  den ganzheitlichen Ansatz der Aktionen, die vor allem auch die Kinder mit einbeziehen.
Einer der „starken Partner“ von Fair Travel ist Studiosus. Dr. Klaus Dietsch stellte das umweltpolitische Engagement des Veranstalters heraus: „Wir passen auf, dass wir möglichst wenig Umweltschmutz und Sozialschmutz machen.“ Studiosus ist wie die TUI Mitglied der vor sieben Jahren gegründeten weltumspannenden Tour Operators’ Initiative (TOI), die sich für nachhaltigen Tourismus und für freiwillige Selbstkontrolle einsetzt. Wichtig sei, dass auch wirklich etwas getan und nicht nur geredet werde, erklärte Dietsch. Studiosus handle ohne groß darüber zu reden. „Wir zwacken vom Reisepreis etwas ab, um Umweltprojekte voranzutreiben.“
Die Menschen sollen die Natur schätzen um sie schützen zu können, so umriss Sibylle Wiedenmann von Bayern Tourismus Marketing die Politik des Freistaats, der von einem möglichen Klimawandel eher profitiert. Bayern lebe vom Naturerlebnis und tue deshalb „alles, um die Natur zu erhalten und sie nicht mit Autos zu verstopfen“. So lege man Wert auf „transparente Informationen über eine umweltfreundliche Mobilitätskette“ – von der Bahn bis zum Bike vor Ort – im Vorfeld der Reise. Noch mehr Naturparks lehnt Wiedenmann ab. „An geschützten Flächen und Gesetzen haben wir mehr als genug.“  Nur schützen und nicht entwickeln helfe nicht weiter, ist sie überzeugt. Für zukunftsfähig hält die Marketingfrau Projekte wie regionale Küche, Themenwege, traditionelle Wellness (Heubäder statt Ayurveda)und naturnahe Übernachtungsmöglichkeiten etwa im Baumhaus.
„Wir stehen an einer kritischen Schwelle“, mahnte Professor Hasselmann zum Abschluss. Lange Zeit habe er „in die Wüste gerufen“, erinnerte sich der Meteorologe, der „seit 30 Jahren dabei“ ist, aber jetzt sei höchste Zeit: „In den nächsten 15 Jahren müssen wir die Kurve kriegen.“  

Infos im Internet unter www.klimanotizen.de, www.tui-deutschland.de, www.tui-group.com, www.studiosus.com, www.forumandersreisen.de, www.atmosfair.de, www.fair-travel.net, www.bayern.by, www.barig.org

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