Im Herzland: Wolfgang Büschers „Hartland“

Irgendwo heißt einer der Ort, in denn Wolfgang Büscher bei seiner Wanderung durch die USA strandet. Er hätte auch nirgendwo heißen können. Eine gesichtslose Ansammlung von Trailern und Mobile Homes wie es sie oft in der amerikanischen Provinz gibt. Auch in Hartland, das dem Buch seinen Namen gab, und das einmal Heartland, Herzland, hieß.
Büscher dringt bei seiner Wanderung von Kanada bis nach Mexiko tief ins
Herzland der Vereinigten Staaten ein, dahin, wo die Menschen der
Landschaft ähneln, die rau ist und unzivilisiert. Ein Exot ist er auf
der Landstraße, denn niemand geht hier zu Fuß. „Schaff dir ein
verfluchtes Auto an“, blafft ein Fahrer den merkwürdigen
Verkehrsteilnehmer an. Er ist der einzige, der ausfällig wird. Die
meisten nehmen den seltsamen Vogel mit Humor, lachen gutmütig über seine
Grillen und lassen ihn auch hin und wieder auf dem Beifahrersitz oder
auch auf der Ladefläche Platz nehmen. Büscher er-geht sich das Land, im
Gepäck hat er das Nötigste, im Kopf die Pioniergeschichte, Indianer und
Cowboys, Wildwestromantik – Erinnerungen an ein Land, das es nicht mehr
gab und vielleicht nie gegeben hat. Er trifft Poeten und Philosophen,
wüste Gesellen und arme Teufel, strenge Damen und leichte Mädchen, Dicke
und Dünne, Saufkumpane und Betschwestern. Er geht oft stundenlang durch
eine sich kaum verändernde Landschaft, folgt dem schwarzen Band der
Straße – und verliert sich in Träumen. Er hat allen Ballast abgeworfen,
das unnötige Gepäck, die Vorurteile, die Ängste. Amerika hat ihn an
seine Grenzen geführt und ihm die Möglichkeit gezeigt, neu anzufangen.
So wie es immer war in diesem Land.
Dies ist keines der üblichen Reisebücher, angefüllt mit Lexikonwissen
und Klischees. Büscher beschreibt nicht nur den langen Weg durchs
amerikanische Herzland oder auch durchs harte Land, sondern auch einen
Weg zu sich selbst. Und man folgt ihm nur allzu gern. Denn der vielfach
ausgezeichnete Autor lässt die Leser unmittelbar teilhaben an seinen
Erfahrungen, nimmt sie mit auf eine Reise voller ungeplanter Begegnungen
und kleiner Wunder und er tut dies in einer Sprache, die süchtig macht: „Der Morgen war ein graues Gebet. Ich stand auf, aß
den restlichen Brocken Schokolade, dankte dem Haus und warf einen
letzten Blick auf den gotischen Kornspeicher. Dann ging ich nach
Berthold, nach Süden.“
Info: Wolfgang Büscher, Hartland – Zu Fuß durch Amerika, Rowohlt Berlin, 300 S., 19,95 Euro 

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