Im Ausnahmezustand: Anne Enrights „Anatomie einer Affäre“

Ein Mann und eine Frau lieben sich, aber, weil sie nicht verheiratet
sind, bringt die Affäre ihr Leben aus dem Gleichgewicht. Das ist, kurz
gesagt, der Inhalt von Anne Enrights Roman „Anatomie einer Affäre“. Doch
das Buch ist natürlich viel komplizierter, auch weil es vor dem
Hintergrund der irischen Immobilienblase spielt. Und die Autorin
seziert, wie der Titel verspricht, diese Liebe, zerlegt sie in alle
Einzelheiten und zwingt die Leser, genau hinzusehen.

Erzählt wird das Ganze aus dem Blickwinkel von Gina. Die junge Frau, die
sich viel auf ihre Unangepasstheit zugute hält, ist verheiratet mit
Conor und verliebt sich in den Nachbarn ihrer – überangepassten –
Schwester, Sean. Der wiederum ist nicht nur Ehemann, sondern auch Vater.
Und Tochter Evie verkompliziert die Angelegenheit noch zusätzlich.

Gina ist jung und egoistisch. Sie schert sich nicht um das Gefühlsleben
anderer, solange sie glücklich ist. Doch so einfach ist das alles nicht.
Gina und Sean sind aus ihrem Alltag ausgebrochen, sie führen ein Leben
im Exil, abgeschnitten von anderen sozialen Kontakten. Nur ganz
allmählich dringt diese Tatsache zu Ginas Bewusstsein durch, das lange
wie in Watte gepackt schien, eingehüllt in einen Kokon des Glücks.

Gina muss erkennen, dass der Alltag der neuen Liebe oft nicht viel
prickelnder ist als die Routine der alten. Dass er Problem behaftet ist,
weil Sean Teile seines Lebens vor ihr verschließt. Sie muss sich damit
abfinden, dass sie seine Liebe teilen muss – nicht mit der Ehefrau,
sondern mit der Tochter. Ob diese Affäre eine Zukunft hat, bleibt
letztlich offen. Womöglich zerplatzt Ginas Traum von der großen Liebe
wie der irische Traum vom unendlichen Reichtum. Ein hartes Stück
Realität. 

Info: Anne Enright, Anatomie einer Affäre, DVA, 310 S., 19,90 Euro

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