Hallstatt – Das Original

Hallstatt kennt in China jedes Kind. Nein, natürlich nicht das Hallstatt im Salzkammergut, sondern die Kopie, die 2012 in der Provinz Guangdong eröffnete. In nur einem halben Jahr hat eine Firma die 800-Einwohner-Gemeinde Hallstatt dort hingestellt – inklusive Kirchturm, Dorfplatz, pastellfarbenen Häusern und Engelsstatuen. Nur das Beinhaus mit den bemalten Schädeln, das haben die Chinesen wohl nicht nachgebaut.
Hatten die chinesischen Kopier-Pläne noch vor einigen Jahren im Original-Hallstatt für Aufregung gesorgt, sehen die Einwohner das Ganze inzwischen eher als tollen Werbegag. Schließlich wollen immer mehr Chinesen das Original sehen, sagt Gästeführerin Alexandra Weichselbaumer und schaut zufrieden über die am Berg klebenden Häuser und den blaugrünen See.
Auf rund 7500 Jahre Geschichte kann die Marktgemeinde zurückblicken, die könne ihm keine Kopie nehmen, erklärt die 47-Jährige, die selbst in Hallstatt zur Welt kam. Schon die Jäger und Sammler der Steinzeit hätten wohl am Salzberg gelebt, wofür Steinbeile und Pickel aus Hirschgeweih sprächen. In der Bronzezeit hätten sie dann Schächte in den Berg gegraben und das Salzgestein in Leder- oder Fellsäcken aus dem Berg getragen. Das Museum Hallstatt trägt dieser Geschichte Rechnung. Hier kann man auf Zeitreise gehen und erfahren, was es mit der Hallstatt-Kultur auf sich hat. Von dieser Zeit, die von 850 bis 500 v. Chr. dauerte, hat in Deutschland jedes Kind schon gehört. Funde aus dem ältesten Salzbergwerk der Welt und vom Hallstätter Gräberfeld, darunter Bernstein aus dem Baltikum und Elfenbein vom Mittelmeer, brachten dem 600-Einwohner-Örtchen am gleichnamigen See auch den Titel eines Unesco-Welterbes ein. 2004 wurde auch noch die älteste Holzstiege der Welt im Hallstätter Salzbergwerk entdeckt, genial nach einem einfachen Stecksystem gefertigt.
Doch der Salzabbau hatte auch seine Schattenseiten, erzählt Alexandra Weichselbaumer und zeigt auf ein Wandbild am Wegrand, das an die Kerntrageweiber erinnert. Zwischen 1800 und 1890 trugen vor allem Frauen den „Salzkern“ zu Tal: Zweimal am Tag bewältigten sie 500 bis 800 Höhenmeter mit einer 40 bis 60 Kilogramm schweren „Buckelkraxe“ auf dem Rücken. Und währen die Frauen draußen (und die Männer im Salzbergwerk) schufteten, verwahrlosten die Kinder. Das ging so weit, dass Erzherzogin Sophie 1853 eine Kinder-Erzieh- und Bewahranstalt gründete, in der bis zu 100 Kinder warmes Essen bekamen – und eine rudimentäre Schulbildung.
Die Salzhändler und die Beamten freilich interessierte dieses Elend wenig, sie verdienten gut an der Arbeit der anderen. Einer von ihnen, der Salinenvermesser Christoph Eyssl von Eysselsberg, lebte im Schlösschen auf der anderen Seeseite und verfügte noch vor seinem Tod, sein Leichnam solle alle 50 Jahre aus der Gruft geholt und über den See gerudert werden. So wenigstens berichtet es die Gästeführerin. Heute gehört Schloss Grub übrigens dem Tiroler Speckfabrikanten Handlbauer. So ändern sich die Zeiten.
1595 entstand in Hallstatt übrigens die älteste Pipeline der Welt, eine Soleleitung mit Holzrohren. 13 000 Einzelteile wurden dazu aneinander gesteckt. Heute sind die Rohre natürlich aus Plastik. Auch das uralte Hallstatt geht mit der Zeit. Immer noch werden 1,2 Millionen Tonnen Salz gewonnen. „Die nächsten 150 Jahre reicht’s wohl noch“, kommentiert Alexandra Weichselbaumer trocken.
Den Weg zwischen den Ortsteilen Lahn und Markt kennt sie genau. Wer hier am Hang wohnt, muss gut zu Fuß sein und darf beim Erklimmen der steilen Treppen nicht außer Atem kommen. Alexandras Großmutter jedenfalls musste den Ab- und Aufstieg nicht nur mit den Einkäufen bewältigen, oft genug musste sie auch ihre kleinen Kinder hochtragen. Für ältere Bürger, die nicht mehr die Treppen bewältigen können, gibt es heute auf dem malerischen Marktplatz bequemere Wohnmöglichkeiten. Ein Fortschritt.
Zur katholischen Kirche mit dem spätgotischen Flügelaltar aus Lindenholz und zum Friedhof mit dem berühmten Beinhaus müssen sie allerdings immer noch hinaufsteigen. In (fast) trauter Eintracht liegen Katholiken und Protestanten auf dem kleinen Friedhof, die Katholiken oben, auf der unteren Ebene die Protestanten. Weil der Platz beschränkt war, wurden früher nach zehn bis 20 Jahren die Skelette ausgegraben, die Schädel wurden an der Sonne ausgebleicht und bemalt, ehe sie ins Beinhaus kamen. Mehr als 600 solcher Schädel sind hier aufeinander und nebeneinander gestapelt, Frauen und Männer, keine Kinder. Der letzte Schädel kam 1995 dazu. Aber nicht jeder kann nach seinem Ableben im Beinhaus unterkommen Wer hier seine letzte Ruhestatt finden will, muss in Hallstatt geboren sein und zu Lebzeiten eine entsprechende Verfügung unterschrieben haben. „Soviel ich weiß sind derzeit zwei angemeldet“, berichtet die Gästeführerin. Vor dem Beinhaus ist auf einem Foto zu sehen, wie ein Mann den Schädel seines Vaters bemalt. Auch nicht jedermanns Sache. Aber vielleicht doch eine Idee für die chinesischen Kopisten, dem Original noch näher zu kommen.
Noch jedenfalls kann sich die Marktgemeinde auf der Tourismus-Internetseite mit dem Slogan brüsten: „Hallstatt – Das Original. Millionenfach fotografiert – einmal kopiert – nie erreicht.“

Info:
Informieren: Salzkammergut Tourismus-Marketing GmbH, Salinenplatz 1, A-4820 Bad Ischl, Tel. 0043/6132 26909,  E-Mail: info@salzkammergut.at,  www.salzkammergut.at, www.hallstatt.net
Anschauen: Der Eintritt ins Beinhaus kostet 1,50 Euro. Für die Zeitreise im Museum, Seestr.56, zahlen Erwachsene acht Euro: http://www.museum-hallstatt.at/
Wohnen: Drei Häuser mit Geschichte und insgesamt 54 Zimmern gehören zum Heritage Hotel. Das älteste ist das Haus Stocker im oberen Ort, sechs Zimmer in einem 500 Jahre alten Gemäuer. Der Legende nach sollen Sisi und Franzl ihre Hochzeitsnacht hier verbracht haben. Wem es zu mühsam ist, Treppen zu steigen, der sollte in einem der anderen Häuser buchen, am besten im Haus Kainz direkt am Seeufer. Das Haus Seethaler befindet sich in der Nähe vom Haus Stocker. Das Heritage Hotel ist Mitglieder Kooperation „Schlosshotels und Herrenhäuser“, Austraße 7, 5411 Oberalm bei Salzburg, Tel. 0043/6245/90 123, E-Mail: info@schlosshotels.co.at, www.schlosshotels.co.at

 

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