Gipfelsieg: Schloss Elmau und der G7

Die Fahrt vom frisch aufgehübschten Bahnhof in Krün, dem mit 933 Metern höchsten Deutschlands, zum Schloss Elmau dauert gerade mal zwölf Minuten. Das wird sich bald ändern. Spätestens ab Mitte Mai, wenn das Luxus-Hideaway unter der Wetterstein-Wand für drei Wochen für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Dann sorgen strenge Sicherheitskontrollen dafür, dass kein Unbefugter dahin kommt, wo am 7. und 8. Mai auf Einladung von Bundeskanzlerin Merkel die G7 tagen, also Merkels Kollegen aus den USA, Kanada und Japan, aus Frankreich, Italien und Großbritannien.
Wo US-Präsident Obama in dieser einen Nacht seinen Kopf betten wird, unterliegt strengster Geheimhaltung. Niemand weiß, ob die Politiker das Angebot wahrnehmen, in den neuen komfortablen Suiten des Retreats zu übernachten, das Hotelier Dietmar Müller-Elmau für 40 Millionen Euro als modernes Hideaway hingestellt hat und wo sich Zeitgeist und Tradition die Hand reichen. Niemand weiß auch, was die Damen und Herren speisen werden. Allerdings wird die Küchencrew während des Gipfels vor Ort sein und das Menü zubereiten, das die Kanzlerin auswählt. Genießen können die Politiker aber auch den Blick auf die schroffe Felswand des Wettersteinmassivs und den murmelnden Ferchenbach.
Auch für die Besprechungen haben die sieben Regierungschefs die Qual der Wahl. Der klassische Konzertsaal im Schloss käme dafür infrage, aber auch der nagelneue Pavillon im Retreat mit der mutigen an japanische Pagoden erinnernden Holzarchitektur. Oder der Literatursaal, in dem Angela Merkel 2005 selbst einen Vortrag hielt. Auf Spa-Anwendungen und Sauna werden die illustren Gäste wahrscheinlich ebenso verzichten wie auf das Baden in einem der spektakulären Infinity-Pools. Trotzdem ist Dietmar Müller-Elmau überzeugt davon, dass sich die Politiker in dem von ihm geschaffenen Rückzugsort wohl fühlen müssten. „Auch der Putin würde sich hier entspannen“, hat er einem Münchner Journalisten gesagt. Doch Russlands Präsident darf nicht kommen.
Seine sieben Kollegen werden allerdings auch wenig Zeit haben, die Annehmlichkeiten des luxuriösen Resorts und „Cultural Hideaways“ zu genießen. 24 bis längstens 30 Stunden werden sie im schönen Hochtal verweilen, und die Probleme, mit denen sie sich beschäftigen, reichen vom Flüchtlingselend im Mittelmeer über den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine bis hin zum Krieg in Syrien und dem Feldzug des IS. Bei so vielen Problemen wird so mancher schlaflos in Elmau sein – und das trotz der übergroßen kuscheligen Betten.
Die Bibliotheken (!) des Hauses böten den Politikern für schlaflose Stunden viel Lesestoff mit einer Auswahl an amerikanischer Literatur, an philosophischen Werken und Sachbüchern zu politischen Fragen. Man spürt, hier wurde mit Sorgfalt ausgewählt. Auch das Buch das Schlossherrn über die Geschichte des Hauses ist hier zu finden – mit einigen Hinweisen darauf, was für Müller-Elmau den Reiz der Gegend ausmacht: „ein Gefühl der Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem, der Eindruck einer seit Urzeiten angehaltenen Zeit, die so stillzustehen scheint wie die monumentale Wettersteinwand, und einer vergänglichen Zeit, die so lebendig ist wie der der stete Fluss des rauschenden Wassers im kristallklaren Ferchenbach“.
Der 60-jährige Hausherr mit dem graumelierten Künstlerhaar, der gern leger auftritt wie Griechenlands Finanzminister Varoufakis und nicht gerade zur Bescheidenheit neigt, wurde – auch das erfährt der Leser – nicht als Hotelier geboren. Als junger Mann stand er dem Schloss seines Großvaters, der zwar ein Freund der Juden aber auch ein Bewunderer Hitlers war, und den Aktivitäten darin, skeptisch gegenüber. Der Prediger und Philosoph Johannes Müller hatte mit dem Geld einer reichen Gönnerin eine Art Zauberberg in der malerischen Einöde erbauen lassen, wo man fern von Krieg und Weltgeschehen dem Geistigen huldigte – nach strengen Ritualen, die der Enkel als „scheinheilig“ empfand. Deshalb floh der junge Mann aus der komplizierten Idylle, reiste durch die Welt, studierte und gründete die Hotelsoftwarefirma „Fidelio“, die er mit hohem Gewinn verkauft. Genug, um Schloss Elmau nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Die Gelegenheit ergibt sich 1995, als ein Brand große Teile des alten Gebäudes zerstörte. Müller-Elmau baut einen riesigen Indoor-Pool, er kauft goldene Lampen, die an Sonne und Mond erinnern und eröffnet einen Literatursaal. Jetzt ist er es, der zu Lesungen einlädt, zu philosophischen Gesprächen, zu Konzerten. Und sie kommen alle, der Philosoph Peter Sloterdijk, der Geigenvirtuose Gidon Kremer, T.C. Boyle, der Popstar der amerikanischen Literatur. Im Juli ist der britische Erfolgsautor Ian McEwan angesagt.
Dietmar Müller-Elmau ist auf dem Gipfel des Erfolgs.   Mario Paecke und Mario Corti erkochten für das Luce d’Oro einen Stern, international wird das Hotel mit Auszeichnungen überhäuft, 2014 wird Müller-Elmau vom Gault-Millau zum Hotel des Jahres gekürt. Und jetzt also der G7-Gipfel. „Ein Geschenk des Himmels“, wie der Schlossherr erfreut kommentiert. Aber auch ein wohl verdientes. Denn dass sein Haus in Deutschland oder in Europa ja gar in der Welt seinesgleichen sucht, davon ist Dietmar Müller-Elmau überzeugt.

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