Die Schatten einer Tragödie: Vaddey Ratners „Im Schatten des Banyanbaums“

Kambodscha, ein Reiseziel der Superlative: Große Kultur in Angkor, fantastische Landschaften, freundliche Menschen. Wer denkt da noch an die Tragödie, die dieses Land vor nahezu 40 Jahre heimgesucht hat. Zwischen 1975 und 1979 wüteten die Roten Khmer gegen ihr eigenes Volk, das sie in die Steinzeit zurückkatapultieren wollten. Ein von der Uno unterstütztes Sondertribunal soll in diesem Frühjahr das Urteil gegen die letzten zwei Schergen des mörderischen Pol Pot Regimes fällen, das für den Tod von zwei Millionen Menschen verantwortlich ist. Die Erinnerung an die grausame Zeit der Roten Khmer weckt jetzt das Buch von Vaddey RatnerIm Schatten des Banyanbaums“. 

Ratner, eine Nachfahrin von König Sisowath I., wuchs bis zu ihrem fünften Lebensjahr behütet im königlichen Palast auf. Was dann geschah, konnte das Kind nicht begreifen. Die Familie wurde aus ihrem Palast vertrieben wie so viele andere; das kleine Mädchen erlebte Zwangsarbeit, Hunger und Todesgefahr. Die Jahre, in denen sie (fast) alles verlor, was bis dahin ihr Leben ausmachte, hat Ratner jetzt zu einem Roman verarbeitet, in dem sie die siebenjährige Raami, ihr Alter Ego, zur Hauptperson macht. Entstanden ist ein schmerzlich-schönes Buch über die Leidensfähigkeit der Menschen, über Hoffnungen, Trauer und Grausamkeit. Der Gegensatz zur anfänglich geschilderten Idylle im königlichen Palast, wo der Vater sich der Dichtkunst hingibt und wo die schöne Mutter dem von einer Kinderlähmung lahmenden Kind in ihren flatternden Seidenkleidern wie ein Schmetterling erscheint, zu den trostlosen Bauerndörfern, in denen die Vertriebenen erste Zuflucht finden, könnte größer nicht sein. Doch es kommt schlimmer. Die Roten Khmer reißen die Familie auseinander, der Vater opfert sich, die kleine Schwester stirbt an Malaria. Und Mutter und Tochter kämpfen mit allen Mitteln ums Überleben. Womöglich hilft der Kleinen dabei die Tatsache, dass sie ein Krüppel ist und – damit keine Patrone wert. 
Vaddey Ratner schildert die unmenschlichen Lebensumstände, den zähen Überlebenswillen, der sich von winzigen Glücksmomenten nährt,  und sie zeigt, wie kleine Gesten der Humanität Großes bewirken. Ein aufwühlendes, ein wichtiges Buch! 
Info: Vaddey Ratner, Im Schatten des Banyanbaums, Unionsverlag, 380 S., 21,95 Euro 

Es gibt bisher keine Kommentare.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert