Bußgeld-Fallen in Europas Nahverkehr

Städtetrips sind im Herbst besonders beliebt. Europas Metropolen lassen sich dabei am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erkunden – schnell, günstig, authentisch. Doch Vorsicht: Auch wer es einfach nicht besser weiß, riskiert im Ausland schon bei vermeintlich kleinen Fehlern sehr hohe Bußgelder. Die Regeln unterscheiden sich von Land zu Land erheblich – und genau das führt immer wieder zu Problemen, wie die Fälle zeigen, die beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland eingehen.

Drastisches Beispiel

Berichtet wird über einen Fall aus Rom: Eine deutsche Familie, kaum 24 Stunden in der Stadt, will nach einem langen Tag zurück ins Hotel. Fahrkartenautomat an der Haltestelle? Fehlanzeige. Also versucht der Vater online Tickets zu kaufen – der Bus kommt aber schneller als gedacht. Einsteigen, später zahlen, so der Plan. Doch im Bus gibt es keine Fahrkarten, die App lädt zu langsam. Kaum schließen sich die Türen, steht der Kontrolleur vor ihnen. Er spricht kein Englisch, der Vater zeigt den offenen Ticketkauf auf dem Handy. Vergeblich: Am Ende muss die Familie knapp 220 Euro sofort in bar bezahlen.

„Fälle wie dieser erreichen uns regelmäßig“, sagt Karolina Wojtal, Juristin und Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ). „Was zu Hause selbstverständlich wirkt, kann im Ausland ganz anders geregelt sein – auf die bekannten Abläufe sollte man sich nicht verlassen. Und wer die Spielregeln nicht kennt, zahlt schnell drauf. Auch für Touristen gibt es da meist keine Kulanz.“  Das EVZ gibt hier einen Überblick über die Fallstricke im Ausland:

1. Unterschiedliche „Währungen“

Mal ist die Zeit, mal die Zone, mal die Distanz ausschlaggebend: In Athen gilt das Ticket 90 Minuten, egal wie weit man fährt. In Madrid richten sich Preise nach Zonen, in Amsterdam nach exakten Kilometern. Und in Luxemburg? Da zahlt man gar nichts, denn dort ist – abgesehen von der ersten Klasse – der gesamte ÖPNV kostenlos.

2. Ticketpflicht ohne Automaten

In vielen Städten sind Fahrscheine nicht direkt im Bus oder der Metro erhältlich. In Rom gibt es sie in Metrostationen, Tabakläden oder über Apps. Automaten an Haltestellen fehlen oft. Auch in Athen oder Prag gilt: Tickets müssen vorab gekauft werden, denn wer ohne Fahrschein einsteigt, zahlt hohe Bußgelder.

3. Entwerten, sonst sieht der Kontrolleur schwarz

In Italien und Österreich reicht es nicht, ein Ticket zu besitzen – es muss vor Fahrtantritt entwertet werden. In Wien hängen die Geräte vor allem an den Zugängen zur U-Bahn, in Rom und Straßburg stehen sie direkt in Bussen oder an den Tramhaltestellen. Wer diesen Schritt vergisst, fährt offiziell „schwarz“.

4. Tap-in, Tap-out – aber wehe, man vergisst’s

In den Niederlanden gilt das landesweite Check-in/Check-out-System: Wer beim Aussteigen vergisst auszuchecken, zahlt automatisch einen pauschalen Tages-Höchstbetrag – bis zu 20 Euro im Zug und zwischen vier und sechs Euro in Bus, Tram oder Metro.

5. Extra-Ticket für Hund, Rad und Co 

Vierbeiner (außer Blindenhunde) brauchen in Rom ein eigenes Ticket – anders als in vielen deutschen Städten, wo zumindest kleine Tiere kostenlos mitfahren. In Helsinki dürfen Fahrräder zwar mit in die Metro, aber nur außerhalb der Stoßzeiten. Und in Barcelona sind E-Scooter im Nahverkehr komplett verboten. Für Reisende mit Gepäck, Kinderwagen oder Rollstuhl gibt es in den meisten Ländern eigene Regelungen, die aber nicht immer gut ausgeschildert sind – hier lohnt sich ein Blick ins Kleingedruckte, bevor man einsteigt.

Kleine Fehler – teure Folgen

Die genannten Beispiele zeigen deutlich, wie unterschiedlich  die Öffis in Europa geregelt sind.  Es nütze aber nichts, wenn Reisende mit Nichtwissen argumentieren,  sagt Wojtal . „Am Bußgeld ändert das am Ende leider nichts. Ein einziger vergessener Handgriff – und aus einer Zwei-Euro-Fahrt wird eine dreistellige Forderung.“
Und dann?
Wer im europäischen Nahverkehr ohne gültiges Ticket erwischt werde – ob aus Versehen oder wegen fehlender Sprachkenntnisse – gelte  als klassischer Schwarzfahrer,  so die Expertin .  „Da helfen auch gute Erklärungen nichts: Das Bußgeld muss bezahlt werden. Da kann auch das EVZ nichts tun.“
Anders könne es aussehen, wenn das Ticket eigentlich gültig war oder technische Probleme den Kauf verhindert haben. In solchen Fällen könne sich ein Einspruch durchaus lohnen – vorausgesetzt, man könne den Ablauf belegen.

Besser informiert

Damit es gar nicht erst so weit kommt, nennt  Wojtal drei Faustregeln:
1. Vorher informieren und am besten ein paar Minuten extra einplanen, um im Zweifel einen Mitarbeiter oder Mitreisenden zu fragen.
2. Dokumentieren wenn etwas schiefgeht, Beweise sichern: Foto vom Ticket, vom Automaten oder von der Fahrzeugnummer.
3. Nachhaken: Ein erster Schritt sollte der Kontakt zum Unternehmen selbst sein. Dort den Fall schildern und um eine (Kulanz-)Lösung bitten. Führt das nicht zum Erfolg, bleibt zu prüfen, ob das Unternehmen einer Schlichtungsstelle angeschlossen ist. Eine Übersicht gibt es hier: Streitbeilegungsstellen – Europäische Kommission.

Viele Reisende gingen  davon aus, dass die EU-Fahrgastrechte auch im Nahverkehr greifen – doch das stimme nur sehr eingeschränkt, so die Expertin:  Bei Busfahrten gelten diese Rechte  erst ab 250 Kilometern, und bei Zügen könnten die Mitgliedstaaten zahlreiche Ausnahmen machen. In der Praxis zähle deshalb fast immer das, was in den AGB der Verkehrsbetriebe steht – auch wenn nicht alles darin automatisch rechtlich haltbar sein müsse.
„Gut vorbereitet reist es sich entspannter“, sagt Wojtal. „Auf dem heimischen Sofa – ohne Zeitdruck und mit stabiler Internetverbindung findet man Antworten am einfachsten. Und manchmal trennt schon die Übersetzungsfunktion im Browser den Fahrschein vom Bußgeld.“
Mehr Infos unter www.evz.de

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