Abschied vom Drachenreiter: Christopher Paolinis „Eragon – Das Erbe der Macht“

Die größte Herausforderung sei der letzte Band für ihn gewesen, sagte der mittlerweile 28-jährige Christopher Paolini, der als 15-Jähriger mit dem Drachenreiter Eragon einen literarischen Scoop gelandet hat. Für den Verlag war es ebenfalls eine Herausforderung, den 1000 Seiten dicken Band in einer Auflage von 750 000 rechtzeitig an den Buchhandel zu liefern. Jetzt also ist das lang ersehnte Finale da – und die Fans, die sich die Wartezeit mit dem Erlernen der alten Sprache, dem Komponieren eines Alagaesia-Songs oder dem Basteln von Drachen vertrieben haben, können zu lesen beginnen. 

Das Erbe der Macht“ versammelt alle Völker Alagaesias im Kampf gegen
Galbatorix, den mächtigen Herrscher des Imperiums. Sogar die Werkatzen,
sonst eher Einzelgänger, fügen sich in die Reihen der Varden, der
Zwerge, der Urgals und der Elfen. Doch ohne die Hilfe der schönen Elfe
Arya, seines kampferprobten Cousins Roran, des vorausschauenden
Hexenkindes Elva und der Kräuterhexe Angela wäre Eragon der negativen
Kraft des Tyrannen nicht gewachsen. Und dann kommt da noch Hilfe von
unerwarteter Seite – aus uralter Zeit, von den alten Drachen. Zuvor
jedoch muss sich der Held ganz klassisch auf einer gefährlichen Suche
selbst finden, muss sich klar werden über seine Schwächen und seine
Ziele. Eragon erkennt, dass er sich geändert hat, längst nicht mehr der
Bauernjunge aus dem Palancar-Tal ist: „Er und Saphira waren Reiter und
Drache. Ihre Bestimmung und ihr Schicksal war es, in der vordersten
Reihe der Geschichte zu fliegen, nicht vor einem Feuer zu sitzen und
fett und träge zu werden.“
Dass der Held nach langen, ausführlich und in vielen blutigen
Einzelheiten geschilderten Schlachten den Sieg davon trägt, ist die gute
Nachricht. Das war nicht anders zu erwarten. Allerdings hätte man dem
ebenso mutigen wie selbstlosen Drachenreiter, der im Lauf der Bücher zum
Mann herangereift ist – wie sein Autor auch – noch ein bisschen mehr
gegönnt als glücklich überstandene Schlachten und Wohltaten für
Alagaesia. Eine Liebesgeschichte mit Arya etwa, die sich durch die
Vorgeschichte anzubahnen schien.
Doch erste erotische Erfahrungen gönnt Paolini nur Saphira. Seinem
Helden verweigert er ein Happy End ebenso wie Nasuada und seinem
Halbbruder Murtagh. Bei den wenigen versuchten Annäherungen fehlen dem
sonst so beredten Eragon – oder ist es Paolini? – die Worte. Stilistisch
ist der Autor eindeutig den Schlachten besser gewachsen als einer
zärtlichen Zwischenmenschlichkeit. Bezeichnend sind Rorans Gedanken vor
der Schlacht: „Nichts war so belebend wie das Kämpfen – nicht Essen noch
Lachen noch eigener Hände Arbeit, nicht einmal die Liebe.“
Am Ende muss Eragon sogar auf die treuen Gefährten und die Familie
verzichten, um sich ganz der Sache der Drachenreiter zu widmen. Nur die
Liebe zu Saphira und zu den Drachen wird künftig sein fast mönchisches
Dasein versüßen. Oder wird doch alles noch ganz anders? Paolini lässt
das Ende offen und vieles ungeklärt. Wie es weiter geht, bleibt der
Phantasie der Leser überlassen. Der Abschied des Autors im Nachwort
jedenfalls klingt eindeutig: „Das wär’s dann… Alles Notwendige ist
gesagt, der Rest ist Schweigen.“ 
Info: Christopher Paolini, EragonDas Erbe der Macht, cbj, 999 S., 24,99 Euro

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